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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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599Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften Hausschlachtungen straffer gehandhabt, sondern es seien vor allen Dingen auch die der Berechnung zu Grunde gelegten Wochenmengen mit rückwirkender Kraft gekürzt worden. Dies habe für ihn zur Folge gehabt, daß ihm infolge des dadurch rein rech- nerischen entstandenen  – aber in Wirklichkeit nicht mehr vorhandenen  – Überhan- ges für das Wirtschaftsjahr 1941/42 nur 2 Hausschlachtungen bewilligt worden seien. Mit dem aus diesen beiden Schlachtungen gewonnenen Fleisch habe er jedoch die zu seinem Haushalt gehörenden 9 Personen niemals ein Jahr lang verpflegen können.“96 Offenes Ansprechen des sich zuspitzenden Versorgungsengpasses in den bäuerli- chen Haushalten wäre wohl als Eingeständnis der Fehlsteuerung der staatlichen Marktregulation erschienen. Aber auch völliges Verschweigen schien dem Agrar- apparat angesichts des wachsenden bäuerlichen Unmuts kaum machbar.97 So nä- herte sich das Wochenblatt der Problematik auf Umwegen, als es zu Jahresbeginn 1942 in der Kolumne Das Reich der Landfrau „Ratschläge für das Haushalten mit den zugeteilten Rationssätzen“ erteilte : „Auch die Bäuerin hat es heutzutage mit dem Kochen nicht leicht, und wenn auch die wirtschaftseigenen Produkte eine sichere Grundlage bilden, so muß doch mit den vorgeschriebenen Rationssätzen das Auslangen gefunden werden. Und das eben kos- tet manches Kopfzerbrechen, wie man es macht, daß alle Esser statt werden, ohne allzu große Abweichungen von der ortsüblichen Kost, auf die nun einmal überall großer Wert gelegt wird und die ja auch vielfach eine der Ursachen ist, wenn die Ge- sindekräfte lang auf dem Hof sind und gern bleiben. Außer den Hausleuten müssen aber auch noch oft zusätzliche Arbeitskräfte  – wenn auch meist nur tageweise  – mit- verpflegt werden, und daß auch auf die zur Wehrdienstleistung eingerückten Männer nicht vergessen wird, beweisen die Feldpostpakete zur Genüge. Da heißt es also genau einteilen und sich den gegebenen Verhältnissen sehr gut anpassen.“98 Vordergründig beschwor die Wirtschaftsberaterin der Kreisbauernschaft Wien hier die bäuerliche „Selbstversorgergemeinschaft“, die dank der Sparsamkeit, der Geschicklichkeit und des Improvisationstalents der Bäuerin in der Lage sei, die „Hausleute“, aber auch die Taglöhner/-innen und zum Militär Eingerückten an- gemessen zu ernähren. Auf diese Weise nahm der Appell die bäuerlichen Frauen zur Lösung eines zentralen Problems der staatlichen Marktregulierung in ihrer Haushälterinnenrolle in die Pflicht  – ungeachtet der Tatsache, dass sie durch die Abwesenheit der eingerückten Männer vielfach zusätzlich die Rolle der „Betriebs- führerin“ übernehmen mussten. Zwischen den Zeilen schimmerte aber auch eine Bruchlinie dieses harmonisierenden Gemeinschaftsentwurfs durch : der moralische, aber vorschriftswidrige Anspruch der ständigen und nichtständigen Arbeitskräfte
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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