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630 Ordnung und Chaos des Marktes
vergehen und -verbrechen zeigen, blieben Schweine und anderes Kleinvieh den
Augen der Kontrollorgane häufig verborgen. Was die Statistik der Viehstände,
Milcherzeugung und Schlachtungen zeigt, ist der von der offiziellen Bewirtschaf-
tung erfasste Teil der Tierproduktion ; was sie verbirgt, ist der – kaum zu bezif-
fernde – Teil, der vorschriftswidrig in den bäuerlichen Haushalten und auf dem
inoffiziellen „Schwarzmarkt“ landete. Folglich verdienen die amtlichen Statistiken
zur Viehhaltung erhöhte Skepsis.
Die in GVE bemessenen Viehstände zeigten bis 1943 insgesamt eine rückläu-
fige Tendenz, die sich 1944 in einen leichten Zuwachs umkehrte. Die Bezirke Melk
und Gän sern dorf bewegten sich dabei stets unter, der Bezirk Gmünd über dem
landesweiten Durchschnitt (Abbildung 7.15). Innerhalb des Gesamtviehbesatzes
verschoben sich die Anteile der einzelnen Vieharten (Abbildung 7.16). Die Anteile
der Pferde stagnierten bei etwa 13 Prozent, was bei sinkendem Gesamtviehbestand
eine Zunahme der Stückzahlen signalisiert. Dazu trug ab 1943 die Rückführung
von Pferden von der Deutschen Wehrmacht, deren Nachschubwege sich mehr und
mehr verkürzten, in die Landwirtschaft im Reichsgebiet bei.170 Auffällig ist der
hohe Stellenwert des Pferdes als Zugtier im Nordosten des Reichsgaues, etwa im
Bezirk Gän sern dorf, gegenüber anderen Landesteilen mit vorrangiger Zugochsen-
haltung, etwa den Bezirken Melk und Gmünd. Die Rinderanteile am Gesamtvieh-
Abbildung 7.14 : Naturalrohertrag der Pflanzenproduktion in Niederösterreich
und dem nördlichen Burgenland 1939–1944
Anmerkung : Die Werte erfassen die Acker-, Grünland- und Weingartenerträge.
Quelle : eigene Berechnungen nach ÖStZA (Hg.), Ergebnisse.
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1939 1940 1941 1942 1943 1944
Gesamtheit
Gänserndorf
Gmünd
Melk
sonstige Bezirke
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937