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674 Ordnung und Chaos des Marktes
Verkauf. Zur Palette der Marktprodukte zählten auch die Milch, von der nur ein
geringer Teil der Verköstigung diente, sowie die an Viehhändler oder Fleisch-
hauer verkauften Kälber, Kalbinnen und Kühe. Fast ausschließlich als Futter-
pflanzen für das betriebseigene Vieh dienten hingegen Hafer, Körnermais, Wi-
ckengemenge, Klee und Luzerne. Auch die Mastschweine, Enten und Hühner
landeten überwiegend in den hauseigenen Töpfen und Pfannen. Kartoffeln und
Hühnereier, die teils verkauft und teils selbst verbraucht wurden, nahmen eine
Zwischenstellung ein. Die Güterflüsse dieses Betriebes fanden in den Geldflüssen
folgenden Niederschlag (Tabelle 7.23) : Die wichtigsten Betriebseinnahmen um-
fassten Zuckerrüben (25 Prozent), Milch- und Molkereiprodukte (16 Prozent),
Nutzrinder (15 Prozent), Weizen (12 Prozent), Gerste (10 Prozent), Roggen (8
Prozent). Dem standen Ausgaben gegenüber, die – sehen wir von den Rücklagen,
Abschreibungen und Minderwerten (28 Prozent) ab – vorrangig zur Bezahlung
der Fremdlöhne (22 Prozent) sowie zur Erhaltung des Viehstandes (10 Prozent)
dienten. Nach den Steuern und Abgaben (8 Prozent) folgten die Aufwendungen
für Saatgut (6 Prozent), Dünge- und Futtermittel (je 6 Prozent) sowie Maschi-
nen und Geräte (5 Prozent). Aus dem Saldo von 4.603 Reichsmark mussten die
Lebenshaltungskosten des Besitzerpaares und der erwachsenen Tochter sowie der
darüber hinausgehende Konsum gedeckt werden.
Doch die Bewertung der Arbeit der Betriebsbesitzer/-innen und ihrer Ange-
hörigen ist nicht so einfach, wie die Formel „Einkommen ist gleich Einnahmen
weniger Ausgaben“ suggeriert.214 Abgesehen vom pragmatischen Hindernis – be-
triebliche Buchführungsaufzeichnungen sind kaum verfügbar und die reichlich
vorhandenen Hofkarten enthalten keinerlei Angaben über Geldflüsse – stellt sich
der Ertrags- und Einkommensberechnung ein grundsätzliches Hindernis entge-
gen : die unklare Definition des „Betriebserfolgs“ als rechnerische Größe. Wilfried
Kahler, Abteilungsleiter für betriebswirtschaftliche Grundlagen in der Landesbau-
ernschaft Donauland, sprach im Vorwort der von ihm bearbeiteten Buchführungs-
ergebnisse für 1938/39 und 1939/40 davon, dass der „Erfolgsbegriff der bäuerli-
chen Wirtschaft heute problematisch geworden“ sei :
„Die nationalsozialistische Wirtschaftsauffassung hat tiefgreifende Wandlungen
der Wirtschaft, ihres Gefüges und ihrer Gestaltung vollzogen und angebahnt, die
sich zu einem neuen Wirtschaftsstil oder Wirtschaftssystem formen. Dagegen hat
die Wirtschaftsrechnung und ihre Erfolgsbegriffe, die im Zeitalter der liberalistisch-
materialistischen Wirtschaftsauffassung ihre vollendetste Ausbildung erfahren hat,
keine grundsätzliche Änderung erfahren. Die heute vielfach übliche Ausschaltung
des Reinertrages, besonders in seinem Ausdruck als Verzinsung des Kapitals, oder die
Einführung des sogenannten „volkswirtschaftlichen Einkommens“ an seiner Stelle
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937