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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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710 Eine grünbraune Revolution ? und andere Formen des Staatsversagens ; doch er vermochte dem Agrarsektor die angestrebte Richtung zu weisen : Die Pflanzenproduktion, die pro Flächeneinheit mehr Nährwert abwarf, sollte auf Kosten der Tierproduktion wachsen  – außer der Milcherzeugung, die zur städtischen Versorgung Priorität gegenüber der Viehmast genoss. Zu diesem Zweck traten neben den Preismechanismus jährliche, durch ökonomische Anreize und außerökonomische Zwänge verstärkte Anbauoffensiven (ploughing-up campaigns), um die Farmer zur Umwandlung von Grün- in Acker- land zu veranlassen. Ein eigenes Förderungspaket bezog die Berglandwirtschaft mit ihren Standortnachteilen in die staatliche Produktionskampagne ein.55 Neben Maßnahmen zur Intensivierung der Landnutzung suchte der briti- sche Staat auch den Einsatz der knappen Produktionsfaktoren Arbeit und Ka- pital zu steuern. Um die weitere Abwanderung ländlicher Arbeitskräfte einzu- dämmen, wurden die Landarbeiterlöhne  – jedoch unter dem in Industrie- und Dienstleistungsbereich üblichen Maß  – erhöht und Berufswechsel in außeragra- rische Wirtschaftszweige erschwert. Zudem wurden zusätzliche Landarbeitskräfte auf freiwilliger Basis  – Women’s Land Army, Voluntary Land Club Movement, Schulklassen  –, aber auch mittels des Einsatzes von Kriegsgefangenen der Achsen- mächte mobilisiert.56 Im Rahmen des Lend-Lease-Abkommens bezog Großbri- tannien Massenlieferungen an Traktoren, Mähdreschern und anderen arbeitsspa- renden Landmaschinen aus den USA.57 Kurz, „in terms of provision of labour and machinery, agriculture received preferential treatment for the allocation of scarce resources at a crucial time“58. Im Vergleich zu Großbritannien hing die Nahrungsmittelversorgung des Deutschen Reiches  – und damit auch der Ostmark  – in geringerem Maß vom Weltmarkt ab. Zudem strebte der NS-Staat, als Alternative zur Globalisierung unter britischer Hegemonie, eine kontinentaleuropäische „Großraumwirtschaft“ unter Einbezug der Agrarüberschussländer Ost- und Südeuropas an.59 Das NS- Regime hatte bereits Jahre vor Kriegsbeginn  – zunächst aus agrarideologischem Protektionismus (z. B. REG 1933), dann zunehmend zwecks kriegswirtschaftlicher Mobilisierung (z. B. Vierjahresplan 1936) – den Agrarsektor staatlicher Lenkung unterzogen.60 Anders als Großbritannien setzte das Deutsche Reich weniger auf den subventionierten Preismechanismus, als auf das staatliche Machtmittel der Zwangsbewirtschaftung. Das zentrale Steuerungsinstrument des Reichsministe- riums für Landwirtschaft und Ernährung bildete der damit in Personalunion ge- führte Reichsnährstand, die offizielle Zwangsvereinigung der Erzeuger, Verarbeiter und Verteiler von Nahrungsmitteln mit weitreichenden Lenkungskompetenzen. Um Hungerrevolten wie im vergangenen Weltkrieg zu vermeiden, räumte das Regime angesichts des geplanten Krieges der Stabilität der Konsumentenpreise Vorrang vor der Anhebung der Produzentenpreise ein. Der Reichsnährstand rief
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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