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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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723Großbritannien und die Ostmark im Krieg Die Teilproduktivitäten der Produktionsfaktoren bemessen die Gesamtleis- tung eines Agrarsystems nur ungenügend, weil sie dessen „Produktivitätseffekt“ verschleiern. Eine Lösung dieses Problems eröffnet die  – durchaus problembe- haftete  – Berechnung der Gesamtfaktorproduktivität, die alle nicht durch die mengenmäßige Veränderung von Land-, Arbeits- und Kapitaleinsatz erfass- ten Wachstumsfaktoren bemisst und häufig als „Fortschrittsfaktor“ interpretiert wird.81 Während für den britischen Fall eine Berechnung der agrarischen Ge- samtfaktorproduktivität bereits vorliegt, wird diese für den österreichischen Fall hier erstmals durchgeführt.82 Zunächst benötigen wir die Änderungsraten des Gesamtoutputs sowie der drei Inputs 1939 bis 1944. Der Abnahme des Produk- tionsvolumens um 22 Prozent und der Nutzfläche um knapp ein Prozent liegen die Erhebungen von 1944, dem Beschäftigtenrückgang um 18 Prozent eine von Regionaldaten abgeleitete Schätzung auf Basis der Erhebungen von 1939 und 1942 zugrunde. Die Zuwachsrate des Kapitaleinsatzes von 55 Prozent lässt sich näherungsweise aus dem Mittelwert der Zuwächse der Motorenleistung 1946 (80 Prozent) und des wertgewogenen Mineraldüngereinsatzes im Wirtschaftsjahr 1943/44 (30 Prozent) bestimmen. Weiters benötigen wir die Kostenanteile der drei Produktionsfaktoren (Boden-, Lohn- und Kapitalquote), die sich aus dem durchschnittlichen Personal- und Sachaufwand der Buchführungsbetriebe in der Landesbauernschaft Donauland 1939/40 ermitteln lassen ; dabei werden wegen einiger Unwägbarkeiten drei Varianten unterschieden.83 Trotz unterschiedlicher Änderungen der Teilfaktorproduktivitäten in Großbritannien und Österreich, vor allem der im ersteren Fall positiven, im letzteren Fall negativen Änderung der Bodenproduktivität, fällt in beiden Agrarsystemen die Abnahme der Gesamtfak- torproduktivität 1939 bis 1944 ähnlich klar aus (Tabelle 8.10) : 30 Prozent im bri- tischen Fall, je nach Variante 34, 37 oder 41 Prozent im österreichischen Fall. Dies widerlegt die manchmal vertretene Ansicht des Krieges als Katalysator techni- schen Fortschritts auf der Basis effizienter Ressourcennutzung ; stattdessen sticht die Ineffizienz des jeweiligen Agrarsystems hervor.84 In beiden Fällen suchte der Agrarsektor im Zuge der staatsgeleiteten Produktionskampagne schlicht mög- lichst viele der knappen, auch von Militärapparat und Rüstungswirtschaft begehr- ten Ressourcen an Land, Arbeit und Kapital einzusetzen  – ohne dass dies stren- gen Effizienzmaßstäben entsprach, wie der Verfall der Kapitalproduktivität um 43 bzw. 50 Prozent unterstreicht.85 Der britisch-österreichische Vergleich verweist, bei allen Unterschieden, auf systemübergreifende Gemeinsamkeiten der Agrarentwicklung im Krieg. Auf der institutionellen Ebene wird deutlich, dass der  – im britischen Fall  – weitgehende und  – im österreichischen Fall  – eingeleitete Übergang des Agrarsystems nicht allein Marktgesetzen folgte, sondern vor allem durch marktregulierende Staats-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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