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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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748 Eine grünbraune Revolution ? Der völkische Produktivismus war kein konziser, von allen Funktionsträgern im Agrarapparat geteilter Masterplan aus der Schublade ; er lässt sich vielmehr als teils geplanter, teils improvisierter Zusammenhang von manchmal auch umstrit- tenen Planungsentwürfen, Expertenmeinungen, Notlösungen und so fort  – kurz, als emergente Verbindung einzelner Interventionen149  – begreifen. Dieses Mega- projekt trug wie verwandte Projekte einer „radikalen Neuordnung“ in den euro- päischen Diktaturen der Zwischenkriegszeit150 Züge des Hochmodernismus (high modernism), der planmäßigen, auch gegen Widerstände durchgesetzten Umwäl- zung gesellschaftlicher Verhältnisse durch einen autoritären Zentralstaat, getrie- ben von der Utopie wissenschaftlich-technischen Fortschritts.151 Doch forderten die Planungs- und Entscheidungseliten nur für „völkische“ oder produktivistische Selektionseingriffe  – etwa gegenüber dem jüdischen Großgrundbesitz oder unter- produktiven „Kümmerbetrieben“  – staatliche Gewaltanwendung. Im Umgang mit dem „deutschen Landvolk“ setzten sie trotz aller Leistungsansprüche vielmehr auf vertrauensgestützte Zustimmung, wie etwa die paternalistische Wirtschaftsbera- tung des Reichsnährstandes zeigt. So gesehen trug dieses Megaprojekt auch Züge der am „menschlichen Maß“ orientierten Sozialtechnologie (social engineering), die gesellschaftliche Fremdsteuerung durch Experten im staatlichen Auftrag nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zur Selbststeuerung des Einzelnen in seiner „or- ganischen Gemeinschaft“ begriff.152 Der völkische Produktivismus teilte mit dem Hochmodernismus das revolutionäre Entwicklungsziel, mit der Sozialtechnologie die evolutionären Mittel auf dem Weg zum Ziel. Die Agrarmodernisierung in der Ostmark als Teil des Deutschen Reiches er- weist sich gegenüber anderen faschistischen und autoritären Staaten Europas kei- neswegs als Sonderfall, sondern teilte das ‚gemeinsame Minimum‘ faschistischer Agrarpolitik : die agraristische Rhetorik, das Ziel nationaler Ernährungssicherheit, den autoritären Staatsinterventionismus, die wissenschaftlich-technische Fort- schrittsgläubigkeit, das korporativistische Bündnis von Staat und Agrarverbänden, die militärstrategische Ausrichtung und die Unterordnung unter (rüstungs-)indus- trielle Erfordernisse.153 Mussolini-Italien, Hitler-Deutschland, Franco-Spanien und andere (halb-)faschistische Regimes folgten im Grunde derselben Doppel- strategie autoritär-staatlicher Lenkung des Agrarsektors : einerseits  – im Unter- schied zu liberalistischen und sozialistischen Modernisierungsprojekten  – (mittel-) bäuerliche Strukturen zu festigen, andererseits  – ähnlich wie die Agrarmodernisie- rung nach US-amerikanischem und sowjetischem Muster  – den wissenschaftlich- technischen Strukturwandel auf dem Land voranzutreiben. Dieser transnational verflochtene Entwicklungskurs in Richtung einer alternativen Moderne war indes in der Gewichtung ideokratischer und technokratischer Elemente nach Staaten unterschiedlich ausgeprägt  – je nach Größe und Gestalt des nationalen Agrar-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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