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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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erlich benannten Desideratums zu leisten – und folglich in Gestalt eines ide- engeschichtlichen Zugriffs das Selbstverständnis der politischen Akteure zu analysieren, ihre Mentalitäten und mentalen Dispositionen nicht nur aus den tagespolitischen Maßnahmen, sondern auch aus dem schriftlichen Nach- lass zu erschließen.127 Diese Absicht trägt dem ebenfalls schon seit langem konstatierten Faktum Rechnung, dass die Intentionen der Regierenden und die realen historischen Prozesse nicht notwendigerweise konform sein müs- sen – und im Österreich der dreißiger Jahre auch nicht waren: Ideeller An- spruch und politische Praxis klafften teilweise weit auseinander.128 Den entscheidenden Ansatz bietet die beim Studium der vorhandenen Literatur gewonnene Einsicht, dass – bei aller Vielfalt der Themen – ein Aspekt bislang kaum Berücksichtigung gefunden hat, nämlich der Begriff „Stand“: Die Empörung der als kritisch sich verstehenden Wissenschaft über die autoritären Züge des Systems hat nicht nur zur Ablehnung des Begriffes „Ständestaat“ geführt, sondern auch den Blick dafür versperrt, dass nicht nur die Berufsstände, sondern der Begriff „Stand“ als solcher einer näheren Analyse würdig sein könnten, umso mehr, als der Aufbau eines Ständestaa- tes ja nicht per se mit der Forderung nach Stärkung der staatlichen Autori- tät identisch war.129 Soweit auf das Thema Bezug genommen wurde, geschah dies, und zwar unabhängig von der Gesamtbeurteilung des Systems, nur in Gestalt von Hinweisen auf die versuchte Bildung der Berufsstände und die dabei auftretenden Probleme – und hierbei konnte nichts anderes konsta- tiert werden als ein Scheitern.130 Worum es tatsächlich ging, so die These der vorliegenden Studie, war indes ein Denken und Fühlen in Kategorien des Ständischen in einem sehr umfassenden Sinn, in dem eine überwunden ge- wähnte, vor dem Zeitalter der Massendemokratie anzusiedelnde Mentalität fortlebte: Die Berufsstände waren hierfür nur die äußere Hülle. Die Rede ist von einer Form von Konservatismus131, dessen Bedeutung viel weiter reicht kurz zuvor hatte Helmut Rumpler die Selbstdarstellung der gesellschaftlichen und politi- schen Positionen des Ständestaates und seiner Träger als Forschungsdesiderat bezeichnet; Kindermann/rumPler/liebmann/hanisch, Politik, 87 (H. rumPler). 127 reiter-ZatlouKal/rothländer/schölnberGer, Einleitung, 9; das hier im Rekurs auf E. Tálos verwendete Attribut „ideologisch“ (für das Selbstverständnis) wird wegen der pejorativen Konnotation (Intoleranz gegenüber anderen Sichtweisen) vermieden. 128 hanisch, Der lange Schatten, 310; JaGschitZ, Ständestaat, 497; steiner, Wahre Demokra- tie?, 48. 129 KluGe, Ständestaat, 49; KluGe, Bauern, 427. 130 P. berGer, Kurze Geschichte, 170; binder, Der „Christliche Ständestaat“, 207; tálos/ma- noscheK, Aspekte, 136; wohnout, Anatomie, 964 und 970; im Einzelnen wird dies in Kap. 7 der vorliegenden Studie nachgewiesen. 131 Im Sinn von mannheim, Konservatismus; vgl. auch heidenreich, Politische Theorien, 9 f.; Göhler, Konservatismus, 20 f. und 28 f.; seefried, Reich, 27 f.; diese Begriffsbestimmung 1. DAS ERKENNTNISINTERESSE32
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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