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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Bei der Bekleidung von Führungspositionen traten immer häufiger Bürger- liche an die Seite der bisher allein zum Zuge gekommenen Adligen, so dass sie allmählich in diesen Stand hineinwuchsen.153 1848 wurden Versuche der Vermittlung zwischen Alt und Neu unternom- men. In Wien tagte auf Einladung der niederösterreichischen Stände der vornehmlich von den deutschösterreichischen Ländern beschickte Ständi- sche Zentralausschuss, um Vorschläge für eine zeitgemäße Form des Stän- dewesens auszuarbeiten. Ziel war die Schaffung einer Reichsvertretung, die durch Vertreter der „modernen“ Stände (Landwirtschaft, Industrie, Handel, Wissenschaften) erweitert sein sollte.154 In Bayern versuchte die Abgeord- netenkammer in diesem Revolutionsjahr Standesgrenzen begrifflich zu fi- xieren: An die Stelle des personal verstandenen Standesbegriffs traten wirt- schaftliche Interessenbereiche155; der Berufsstand nahm schärfere Konturen an.156 Andererseits legte, ebenfalls 1848, der Benediktinermönch Albert Jäger aus dem Tiroler Stift Marienberg in einer Studie über die ständische Ver- fassung seines Heimatlandes ein vehementes Plädoyer für das altständische System ab: „Eine Verwischung der Stände durch eine Volksvertretung im modernen Sinne passt für uns nicht. Wir Tiroler sind keine abstrakte Volks- masse, wir sind wie im Privat-, so im öffentlichen Leben scharf in Stände geschieden.“157 Diese Abhandlung war einer der ersten Versuche über landständische Verfassungen; im Zeitalter des Liberalismus nahm das Interesse der Wis- senschaft an diesem Thema zu.158 Damals gehörten das Bild einer Aus- gleichs- und Vermittlungsfunktion der Stände zwischen Monarch und Volk und die konsensorientierte Rechtsauffassung des Alten Reichs noch zum Gemeingut der Staatstheoretiker.159 Die geburts- und machtständische Sozi- alstruktur überdauerte also die politisch-rechtliche Entmachtung der Stän- de.160 Nach 1848 wurde der Ständegedanke vornehmlich von jenen besetzt, die sich in einem „moderneren“ Zeitalter nicht zurechtfanden.161 Auch Otto von Bismarck war ein Befürworter ständischer Modelle.162 153 schwinn, Ständische Verhältnisse, 84. 154 Gottsmann, Der Reichstag, 21. 155 GG 6 (1990), 270 (Stand/Klasse, R. walther). 156 bohn, Ständestaatskonzepte, 21 und 30; mayer-tasch, Korporativismus, 8. 157 JäGer, Ständische Verfassung, IV f. 158 ammerer, Die Stände, 21. 159 GG 6 (1990), 243 (Stand/Klasse, R. walther); stollberG-rilinGer, Reich, 14. 160 mayer-tasch, Korporativismus, 9. 161 streitenberGer, Leitbild, 88. 162 bohn, Ständestaatskonzepte, 30. 1.2 STAND: DER BEGRIFFLICHE AUSGANGSPUNKT 35
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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