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Deutschland, erklärte die Regierung ihre Absicht, „für einige Zeit autoritär“
zu regieren.49 Grundlage war das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz
vom 24. Juli 1917.50 Obwohl die Verantwortlichen von „Selbstausschaltung“
sprachen, herrscht heute Konsens, dass es sich um einen Verfassungsbruch
handelte51, umso mehr, als kurz darauf auch der Verfassungsgerichtshof
aufgehoben wurde.52 Viele Österreicher, darunter Bundespräsident Wilhelm
Miklas53, erfüllte der Vorfall mit Sorge; auch in der Führungsriege der CSP
war man sich der Problematik bewusst.54 Stellvertretend für die – auch bür-
gerlichen – Intellektuellen, die den Akt missbilligten, sei Gertrud Fusseneg-
ger genannt: Sie bewertete ihn als Ausdruck eines „eigenen hausgemachten
Absolutismus“, den der Kanzler und „etliche Politiker von sehr undurch-
sichtigem Charakter“ an seiner Seite unter dem Eindruck der Ereignisse in
Deutschland und Italien in Gang gesetzt habe.55
Der Ausgang der Wahlen in Deutschland am 5. März 1933 bestätigte En-
gelbert Dollfuß in seinen politischen Maximen56; auch in internationalen Di-
plomatenkreisen wurde ein Zusammenhang gesehen.57 In einer Rundfunk-
ansprache bezeichnete er die Ausschaltung des Parlaments als Abschnitt
einer organischen Entwicklung, die „zu neuen Formen einer gesunden
Volksvertretung führen“ werde.58 Im Mai löste er sich noch entschiedener
vom Gedanken einer Rückkehr zum bisherigen Parlamentarismus.59 Im Juli
49 Zit. nach KluGe, Ständestaat, 12; vgl. diamant, Katholiken, 240–242; falle, Wurzeln,
52–59; reichhold, Kampf, 62–65; tálos/manoscheK, Konstituierungsprozess, 11–17; tálos,
Handbuch, 53 f. (O. lehner) und 65 f. (A. PelinKa); wohnout, Verfassungstheorie, 59–61;
wohnout, Bürgerliche Regierungspartei, 198 f.; wohnout, Schritte, 52 f.
50 brauneder, Verfassungsgeschichte, 232; hanisch, Der lange Schatten, 305; tálos, Herr-
schaftssystem (2013), 33 f.; tálos, Herrschaftssystem (2013), 269–273.
51 dreidemy, Der Dollfuß-Mythos, 248; rathKolb, Erste Republik, 497 f.; reiter-ZatlouKal/
rothländer/schölnberGer, Einleitung, 7; sehr versöhnlich die Formulierung eines der So-
zialdemokratie nahestehenden Soziologen: „In Anbetracht der politischen Konstellation
innerhalb wie auch jenseits der Grenzen Österreichs und der überaus fragwürdigen Be-
schlussfähigkeit des Parlaments erscheint es nicht angebracht, in diesem Zusammenhang
die Schuldfrage zu stellen.“; simon, Die verirrte Erste Republik, 103.
52 wiederin, Die Rechtsstaatskonzeption, 76–78.
53 lanG, Bundespräsident Miklas, 12–16, 28, 37, 45, 109–115 und 123; später versuchte
Miklas den Nationalrat zu reaktivieren; ebd., 23–37.
54 wohnout, Schritte, 54.
55 fusseneGGer, Spiegelbild, 251; vgl. seefried, Reich, 36 f.
56 F. schausberGer, Letzte Chance, 39; G. stourZh, Außenpolitik, 320–322; wohnout, Verfas-
sungstheorie, 63 f.
57 wohnout, Bundeskanzler Dollfuß, 611.
58 dollfuss an österreich, 66; vgl. Kindermann, Konservatives Denken, 221; LandGrebe/
weiGl, Aktualität, 153–158.
59 wohnout, Verfassungstheorie, 89.
3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580