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besonders konsequent verwirklichte171, war auf diesen Schritt sehr stolz.172
Spätestens ab 1933 überwog im österreichischen CV das Bekenntnis zu ei-
nem Ständestaat; später wurde der Verband geradezu zu einer Eliteorgani-
sation desselben.173 Kritik aus monarchistischen Kreisen fing Kurt Schusch-
nigg durch deren stärkere Beiziehung ab. Alle Mitglieder hatten die Pflicht,
der VF beizutreten.174 Erwähnt sei aber auch, dass es im CV weder das Füh-
rerprinzip noch die Besetzung von Schlüsselpositionen durch Ernennungen
gab.175
Manches an der realen politischen Situation war den Homogenitätswün-
schen des CV abträglich. Einige Mitglieder fühlten sich unter Druck gesetzt
und sprachen von innerer Emigration.176 Eine Art Opposition kam von Karl
Lugmayer, aber auch Leopold Kunschak, Josef Resch, Otto Ender oder Carl
Vaugoin ordneten sich nicht restlos den Zielen der Cartellfreundschaft un-
ter.177 Friedrich Heer stellte fest, die erzieherische Wirkung des Farbentra-
gens verhindere es nicht, auch im CV Individualist zu bleiben: Auch inner-
halb des Verbands könne man sich „der Flut stellen“.178 Dass dem CV 1936
die Auflösung drohte, stärkte allerdings das Gemeinschaftsgefühl.179
Nicht nur die in Verbindungen organisierten Studenten traten 1933 aus
den gesamtdeutschen Strukturen aus, auch jene, die bisher die Deutsche
Studentenschaft als Sachwalterin ihrer Interessen betrachtet hatten, verlie-
ßen diese; mit der Sachwalterschaft der Hochschülerschaft Österreichs grün-
deten sie eine eigene, dem Regime nahestehende Interessenvertretung.180
1935 wurde im Bundesministerium für Unterricht ein beratendes Komitee
eingerichtet, dem u. a. Richard Meister angehörte.181 1936 forderte die Öster-
reichische Hochschulzeitung, die Studierenden sollten in die berufsständi-
sche Organisation ihres späteren Lebensberufs eingebunden werden.182
Die evangelischen Christen in Österreich fühlten sich durch die Zusam-
menarbeit des Ständestaates mit der katholischen Kirche benachteiligt;
171 fritZ, Farben tragen, 168 f.; G. hartmann, Im Gestern, 176 und 367 f.; G. hartmann, Eliten,
230 f.
172 G. hartmann, Der CV, 126–129; Krause, CV, 105.
173 Gehler, Hochschule, 35; G. hartmann, Im Gestern, 349, 351 und 364.
174 Krause, CV, 111–115.
175 G. waGner, Hochschülerschaft, 168.
176 G. waGner, Hochschülerschaft, 28.
177 PoPP, Der CV, 171 und 260–266.
178 Zit. nach adunKa, Friedrich Heer, 23.
179 G. waGner, Hochschülerschaft, 284.
180 stimmer, Eliten, 577–579; G. waGner, Hochschülerschaft, 12.
181 G. waGner, Hochschülerschaft, 280.
182 G. waGner, Hochschülerschaft, 166 f.
3.1 ÖSTERREICH 1918–1938 75
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580