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Faschismus als rein nationale und lediglich als Übergang zu betrachtende
Bewegung, die niemals zu einer internationalen werden könne.560 Seipel
selbst hielt Mussolinis Werk für notwendig, weil der Parlamentarismus ver-
sagt habe.561
Hauptergebnis dieser Romreise war die Unterzeichnung eines bilateralen
Handelsvertrags.562 Außerdem trug sie – trotz der von Österreich beharrlich
thematisierten Südtirolfrage563 – zum Entstehen eines guten Gesprächskli-
mas zwischen Seipel und Mussolini bei.564 Die Bemühungen des Duce um ge-
ordnete Verhältnisse in Österreich wurden von Sektionschef Richard Schül-
ler unterstützt, der als Sonderbeauftragter für wirtschaftspolitische Fragen
in Rom das Vertrauen der politisch Verantwortlichen besaß.565 Nüchtern
schätzte hingegen Außenminister Alfred Grünberger566 die Lage ein: Die of-
fiziellen Beziehungen zur italienischen Regierung seien befriedigend, aber
nicht herzlich.567
Ende 1924 folgte Rudolf Ramek Seipel als Bundeskanzler nach. Er schlug
im Gespräch über bzw. mit Italien rauere Töne an. Am 17. Februar 1926
übte er im Parlament Kritik an gewissen „Orgien der Fascistenpresse“ in Zu-
sammenhang mit der Südtirolfrage568: Dass Österreich eine italophobe Ein-
stellung habe, treffe nicht zu, auch wenn man die Brennergrenze nicht
gutheiße; Gerüchte über einen geplanten italienischen Einfall über den
Brenner habe Mussolini für haltlos erklärt.569 Rund drei Wochen später
klärte er diese Fragen im Gespräch mit dem italienischen Außenminister
Dino Grandi.570
Für eine gewisse Gereiztheit Österreichs in dieser Zeit gab es leicht nach-
vollziehbare Gründe: Am 20. Mai 1925 hatte Mussolini vor dem Senat er-
klärt, Italien würde eine Annektierung Österreichs durch das Deutsche
Reich nicht dulden.571 Wenig später gab er dagegen zu erkennen, dass er Ös-
terreich, je nach Entwicklung der internationalen Lage, auch fallen lassen
560 ADÖ 5/738.
561 w. rauscher, Der Aufstieg, 361 f.
562 ADÖ 5/741; vgl. Kusstatscher-oberKofler, Beziehungen, 104–107; malfèr, Wien und Rom,
135–140.
563 Kusstatscher-oberKofler, Beziehungen, 184–214; malfèr, Wien und Rom, 148–162.
564 Kusstatscher-oberKofler, Beziehungen, 154–157; malfèr, Wien und Rom, 144 f.
565 JedlicKa, Österreich, 48; nautZ, Unterhändler, 148.
566 Zu ihm vgl. aGstner/enderle-burcel/follner, Österreichs Spitzendiplomaten, 212–214.
567 ADÖ 5/786.
568 Zur damals eintretenden Verschärfung des Problems Kusstatscher-oberKofler, Beziehun-
gen, 242–275.
569 ADÖ 5/822.
570 ADÖ 5/827.
571 ara, Österreichpolitik, 112; di nolfo, Rapporti, 38; friedl, Zusatzprotokolle, 152.
3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
RAHMEN112
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580