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Neben den offiziellen Botschaftern hielt Italien in mehreren Ländern eine
Art Paralleldiplomaten, die geheime politische und/oder propagandistische
Missionen durchführten. In Österreich war dies Eugenio Morreale. Das We-
sen des Nationalsozialismus mit klarem Blick durchschauend, bekämpfte
er diesen nach Kräften und versuchte Österreich davor zu bewahren.580 Da-
her war es für ihn bedauerlich, in der Außenpolitik dieses Landes bis 1929
starke Rücksichten auf Berlin feststellen zu müssen, wie aus einem von ihm
in deutscher Sprache verfassten Manuskript hervorgeht.581
Morreale pflegte auch Beziehungen zu den Legitimisten.582 Wenn man ei-
ner Ende April 1934 im Berliner Auswärtigen Amt entstandenen Aufzeich-
nung betreffend die Restauration der Habsburger folgen kann, waren viele
Italiener der Meinung, nur durch die Restauration der Habsburger ließe
sich die Eingliederung Österreichs ins Deutsche Reich verhindern.583 Über
den ermordeten Bundeskanzler Engelbert Dollfuß war der Diplomat voll des
Lobes: Im August 1934 veröffentlichte der CS von ihm verfasste „Gedenk-
worte“, die den „erfolgreichen Baumeister des österreichischen Neuaufbaus“
zeichneten.584 1936 gab Morreale neuerlich zu erkennen, dass er kein grund-
sätzlicher Gegner der Restauration Habsburgs war, denn die Geschichte Ös-
terreichs lasse sich von der Geschichte dieses Hauses nicht trennen.585
Der offiziellen italienischen Österreichpolitik entsprachen die legitimisti-
schen Sympathien freilich nicht: Schon 1920 hatte Karl Renner gegenüber
Ministerpräsident Nitti erklärt, Österreich werde auf eine Restauration
der Habsburger verzichten.586 1932 gab Mussolini dann aber zu verstehen,
dass er einer Habsburgerrestauration nicht mehr um jeden Preis abgeneigt
war.587 1934 erklärte er im Gespräch mit Bundeskanzler Schuschnigg, Ita-
lien würde Österreich in diesem Fall keine Schwierigkeiten machen.588 We-
nige Monate später, im April 1935, stellte Außenminister Egon Berger-Wal-
denegg beim italienischen Staatssekretär für Äußeres Fulvio Suvich589
großes Interesse für die legitimistische Bewegung fest. Er wusste auch von
Gesprächen des österreichischen Gesandten beim Völkerbund, Imre von
580 colotti, Fascismo, 304 f.; niGlia, Mussolini, 79; wohnout, Bundeskanzler Dollfuß, 611 f.
581 JedlicKa, Österreich, 46.
582 brouceK, Ein General II, 71; ebneth, Wochenschrift, 43.
583 bertolaso, Die erste Runde, 201.
584 CS 19. 8. 1934 (E. morreale).
585 CS 8. 3. 1936 (E. morreale).
586 malfèr, Wien und Rom, 35–42.
587 KereKes, Abenddämmerung, 106.
588 K. schuschniGG, Requiem, 236.
589 Der aus Triest stammende Suvich hatte in Graz und Wien studiert; er galt als deutsch-
feindlich und schätzte Dollfuß; österreicher, Fulvio Suvich, 3, 45, 54 und 61.
3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
RAHMEN114
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580