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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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benden Unstimmigkeiten“.605 Er förderte die Politik der Verständigung mit Blick auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Österreichs und auf die an- stehende Verfassungsreform.606 Offener als unter Seipel kamen die italie- nischen Versuche politischer Einflussnahme auf Österreich zur Sprache, darunter der Wunsch, der Kanzler möge den Schutzbund auflösen und die Heimwehr in eine konstitutionelle Partei umwandeln. Mussolini, so Lothar Egger im Oktober 1929, wünsche die österreichische Regierung in jeder Be- ziehung zu stärken, denn er wolle nicht von „extrem demokratischen Län- dern“ umgeben sein; den Verfassungsentwurf billige er, ja wirke überhaupt versöhnt. Mit Blick auf die dringend erforderliche Anleihe sei dem Duce versichert worden, dass die österreichische Regierung nach Kräften auf die kritischen Tiroler Kreise einwirken werde, dass sie aber keine Verfügungs- gewalt über die Landeshauptleute besitze.607 Auch die Beziehungen faschis- tischer Kreise zur Heimwehr wurden nicht mehr in Abrede gestellt.608 Immerhin besaß Schober aber genügend Rückgrat, um eine von Mussolini gewünschte Romreise von der vorherigen Zusage der Anleihe abhängig zu machen, weil er sie andernfalls in seinem Land nicht rechtfertigen könne.609 Als diese Zusage kam, wurde dem Bundeskanzler aus Rom nahegelegt, mit ihrer Bekanntgabe die Erklärung zu verbinden, dass die Freundschaft mit Italien ein wesentliches Element der österreichischen Politik sei.610 Schober war es indes wichtiger, seine Politik den übrigen europäischen Staaten611 und dem eigenen Parlament zu erklären: Weder habe man Südtirol fallen gelassen noch hätten Gerüchte, Österreich werde seine Neutralität aufgeben und sich enger an Italien anlehnen, eine reale Grundlage. Diese Worte wirk- ten selbst auf oppositionelle Abgeordnete beschwichtigend, aber alle Vorbe- halte gegen die wirtschaftliche Sanierung Österreichs zum Preis der Anleh- nung an Italien ließen sich nicht ausschalten. Insgesamt wurde Schobers Südtirolpolitik besser bewertet als jene Seipels.612 Über den von italienischer Seite erhobenen Vorwurf einer konservativ-liberalen Gesinnung und eines zu wenig autoritären Stils613 setzte sich der Kanzler souverän hinweg. Der angekündigte Besuch in Rom fand vom 4. bis zum 7. Februar 1930 statt. Schober überreichte Mussolini das Große Goldene Ehrenzeichen der 605 ADÖ 6/980; vgl. JedlicKa, Österreich, 54. 606 ADÖ 6/986 und 989. 607 ADÖ 6/983; colotti, Fascismo, 309 f. 608 ADÖ 6/986; colotti, Fascismo, 311. 609 ADÖ 6/985. 610 ADÖ 6/990. 611 ADÖ 6/992; colotti, Fascismo, 317. 612 ADÖ 6/997. 613 colotti, Fascismo, 311–319. 3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 117
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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