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Im März sicherte der Duce auf dem Parteitag des PNF Österreich neuer-
lich seine vorbehaltlose Unterstützung zu; Dollfuß teilte er mit, dass Italien
die Erhaltung eines selbständigen Österreich als Angelpunkt seiner europä-
ischen Politik erachte.714 Damals schlossen Österreich, Italien und Ungarn
ein Dreierbündnis, die am 17. März unterzeichneten sogenannten Römer
Protokolle, die in Berlin verärgert registriert wurden.715
Im April 1934 veröffentlichte der CS einen Artikel von Agostino Gemelli,
der die Unabhängigkeit Österreichs beschwor und das Interesse Italiens an
derselben beteuerte; in diesem Fall wurde als beide Länder verbindendes
Element der Katholizismus genannt.716 Ansonsten legte diese Zeitschrift
indes Wert auf die Akzentuierung der Unterschiede zwischen Italien und
Österreich.717 Im Mai erschien in der Zeitschrift Der Heimatschützer ein Bei-
trag von Guido Bortolotto, in dem die Unterschiede zwischen Faschismus
und Nationalsozialismus hervorgehoben wurden. Akzentuiert wurden vor
allem das Fehlen des Rassenwahns und der geistige Charakter des italie-
nischen Nationsbegriffs, der sich von dem auf Fleisch und Blut beruhenden
des Nationalsozialismus unterscheide.718
Im Juni verteidigte die faschistische Zeitschrift l’Universale angesichts
eines bevorstehenden Treffens Mussolinis mit Hitler das italienische En-
gagement für die österreichische Unabhängigkeit.719 Herausgeber Berto
Ricci ließ durchblicken, dass eine Zusammenarbeit Italiens mit Deutschland
unter pragmatischen Erwägungen geduldet werden könne.720 In den am 14.
und 15. Juni in Venedig geführten Gesprächen mahnte der Duce den Führer
zur Einstellung des Terrors in Österreich.721 Auf Hitlers Wunsch, Dollfuß
als Bundeskanzler durch eine unabhängige Persönlichkeit abzulösen, ging
Mussolini nicht ein.722 Zuvor hatte er sich gegen den in Österreich in gewis-
sen Kreisen ventilierten Gedanken verwendet, die neue Verfassung einer
714 Zit. nach friedl, Zusatzprotokolle, 152 f.
715 ara, Österreichpolitik, 113; bertolaso, Die erste Runde, 41 f. und 221; binder, Der „Christ-
liche Ständestaat“, 225; di nolfo, Rapporti, 69; KereKes, Abenddämmerung, 187 f.; Kinder-
mann, Österreich, 194 f.; orlando, Rolle, 21–23; ross, Hitler, 184–197; schmölZer, Bezie-
hungen, 88–100; stuhlPfarrer, Außenpolitik, 329; tálos, Herrschaftssystem (2013), 493 f.
716 CS 29. 4. 1934 (A. Gemelli).
717 schmölZer, Beziehungen, 110–112.
718 Kindermann, Österreich, 140; vgl. CS 18. 3. 1934 (G. bortolotto).
719 Vgl. bertolaso, Die erste Runde, 224.
720 scholZ, Italienischer Faschismus, 144 f.
721 Kindermann, Hitlers Niederlage, 144 f.; Kindermann, Österreich, 206 f.; schmölZer, Bezie-
hungen, 100–102.
722 di nolfo, Rapporti, 70; stuhlPfarrer, Außenpolitik, 328; wohnout, Bundeskanzler Dollfuß,
610; im Herbst 1933 hatte auch Bundespräsident Miklas den Wunsch geäußert, den Kanz-
ler abzusetzen; lanG, Bundespräsident Miklas, 128.
3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580