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jenen, die schriftliche Zeugnisse hinterlassen haben, betrug der Anteil 39
Prozent.1008 Insgesamt 26 Prozent der Mandatare gehörten der Heimwehr
an.1009 Leopold Kunschak und Johann Staud waren vom Freiheitsbund in
Vorschlag gebracht worden.1010
Am 1. November 1934 wurden die Namen in der Wiener Zeitung veröf-
fentlicht.1011 Manchen Mandataren, beispielsweise Josef Resch, Gustav Wal-
ker und Ludwig Adamovich, gelang es, gegenüber dem Bundeskanzler viel
Autonomie zu bewahren.1012 Die Rechtsprofessoren Walker und Adamovich
hatten sich vor ihrer Berufung nicht direkt parteipolitisch engagiert, wur-
den dann aber stark in die Arbeiten eingebunden.1013 Zumal Adamovich war
einer der führenden Exponenten des Systems, aufgrund seiner juristischen
Kompetenz, aber auch seiner streng kirchlichen Einstellung.1014 Aufgrund
seiner Schriften ist er jedoch schwer zu positionieren.1015
Der SR, der auch vollziehende Funktion hatte1016, nach Otto Ender ein
„ausgleichendes, mäßigendes, ruhiges, konservatives Element“1017, bestand
aus 40–50 Personen. Berufen werden sollten gemäß dem Wortlaut der Ver-
fassung „charaktervolle Bundesbürger, von denen nach ihrem bisherigen
Verhalten und nach ihren bisherigen Leistungen volles Verständnis für die
Bedürfnisse und für die Aufgaben des Staates zu erwarten ist“.1018 Im all-
gemeinen Bewusstsein galt der SR als Nachfolger des ehemaligen Herren-
1008 G. hartmann, Der CV, 112–114, 127–139; G. hartmann, Im Gestern, 107, 117, 134, 175,
249, 228, 234, 321, 322, 323, 365 f.; Krause, CV, 105 f. und 116; Kriechbaumer, Leopold
Figl, 125; lebensaft/mentschl, Feudalherren, 45; PoPP, Der CV, 167 f. seliGer, Schein-
parlamentarismus, 33 und 278.
1009 B. dachs, Richard Kerschagl, 33 f.; GutKas, Niederösterreich, 865; hoPfGartner, Schusch-
nigg, 78, 141; JuffinGer, Politischer Katholizismus, 26–36; Kriechbaumer, Erzählungen,
569; Kriechbaumer, Front, 301; marschniG, Militarisierung, 23–27; wiltscheGG, Heim-
wehr, 13, 25, 50 f., 55 f., 61, 77, 98, 80, 87, 94 f., 98, 102–105, 108– 111, 128 f., 131 f.,
134 f., 149, 165, 171, 231, 256, 274, 276, 320 f., 327 f., 332 f., 337, 343, 345, 351, 359, 361
und 364 f.; wohnout, Verfassungstheorie, 277 und 293; vgl. auch tálos, Herrschaftssystem
(2013),198 f.
1010 wohnout, Verfassungstheorie, 272.
1011 Kraus, „Volksvertreter“, 130.
1012 wohnout, Verfassungstheorie, 542.
1013 wohnout, Verfassungstheorie, 275 f.
1014 rathKolb, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, 208; vetter, Die Katho-
lisch-theologische Fakultät, 186.
1015 olechowsKi/staudiGl-ciechowicZ, Staatsrechtslehre, 240.
1016 neGer, Verfassung, 57 f. und 74–76; PutscheK, Ständische Verfassung, 173–176.
1017 PMR VIII/5, Prot. 919/3 (1. 2. 1934), 512.
1018 Zit. nach steiner, Wahre Demokratie?, 145; vgl. Kraus, „Volksvertreter“, 93; wohnout,
Verfassungstheorie, 217–221 und 270.
3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
RAHMEN166
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580