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die auch sittlich definiert sind, gemeint49, sondern das Ideal der Freiheit
der Persönlichkeit in ihrem kulturellen und wirtschaftlichen Wirken, wie
es im Ancien Régime von Adel, Großbürgertum, Industrie und hohen Be-
amten vertreten wurde50, jene Freiheit und Würde des Menschen gegenüber
dem Staat, die Eduard Spranger als „ewigen Liberalismus“ bezeichnete.51
Diese Freiheit, so Paul Thun-Hohenstein, anerkenne höhere Bindungen52
und lasse auch den Nächsten gelten, „und so entsteht Österreich gerade aus
einer gewissen inneren Einzelgängerei, aus dem Wunsche des Individuums,
die letzte Kammer seiner Seele gegen jegliches Eindringen abzuschließen,
um sich selbst jederzeit allein darin aufhalten zu können, zugleich aber auch
aus dem Wissen um das gleichgeartete Wünschen der anderen“.53
Johannes Messner erläuterte die Lesart der katholischen Kirche: „Glied-
hafte Einordnung heißt nicht aufgehen im Ganzen, sondern in Freiheit und
eigener Kraft Aufgaben für das gesellschaftliche Ganze erfüllen.“ Es sei
„völlig verfehlt, den Blick nur nach oben hin auf die Gemeinwohlordnung zu
richten. Denn die Freiheitsordnung der Gesellschaft ist ebenso wesenhaf-
ter Teil der gesellschaftlichen Ordnung wie jene“. Aufgabe der berufsständi-
schen Ordnung sei es, „das rechte Verhältnis von Freiheit und Bindung […]
zu gewährleisten“.54
Hier benannte einer der wichtigsten Theoretiker des Ständestaates das
Wesen des konservativen Freiheitsbegriffs, nämlich dass ein jeder das ihm
eigentümliche Wachstumsgesetz zu entfalten das Recht habe, ohne einem
Gleichheitsprinzip verpflichtet zu sein55, nahm aber auch zentrale Botschaf-
ten des Ordoliberalismus vorweg:56 Liberalismus, so Wilhelm Röpke, sei per-
sonalistisch im Sinn der christlichen Lehre, dass jede Menschenseele unmit-
telbar zu Gott ist; daher könne er nicht mit egozentrischer Engherzigkeit
und sozialer Härte gleichgesetzt werden. So sehr der Mensch im Dienst an
der Gemeinschaft aufgehe: das letztlich Wirkliche sei die Person.57 Anderer-
seits sei Freiheit „unmöglich ohne moralische Bindungen allerhöchster Ord-
nung. Freiheit ohne Normen und Regeln, ohne moralische Selbstdisziplin
der Einzelnen ist die furchtbarste Unfreiheit für alle diejenigen, die dabei
49 busshoff, Dollfuß-Regime, 183; Glass/serloth, Selbstverständnis, 37.
50 eder, Der Liberalismus, 141; wandrusZKa, Struktur, 294 und 309.
51 eder, Der Liberalismus, 12.
52 thun-hohenstein, Österreichische Lebensform, 18.
53 thun-hohenstein, Österreichische Lebensform, 13.
54 messner, Ordnung, 19.
55 mannheim, Konservatismus, 115.
56 A. rauscher, Das Menschenbild, 193.
57 habermann, Das Maß, 29–31. 5. DER MENSCH IST
PERSON216
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580