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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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seinerseits in aristotelischer Tradition stand, wichtige Anhaltspunkte: Der Satz anima forma corporis170 gab etwa Philipp Bugelnig den philoso- phischen Rückhalt für seine politischen Überzeugungen.171 Der Kärntner Geistliche wird somit zu einem Kronzeugen des von Friedrich Heer be- schriebenen Bemühens, die aus den Veränderungen des 19. Jahrhunderts erwachsenen Aufgaben in der von Thomas selbst vorgegebenen Weise zu meistern, nämlich durch einen gegenüber der Zeit offenen Rationalis- mus, eine Renaissance der lex divina172, jener von den Gesetzen bloßer Mathematik verschiedenen, gleichsam qualitativ gerichteten Schöpfungs- ordnung173, die auch das Sollen des Menschen sichtbar mache.174 Dieses christliche, „klassische“175 Naturrecht ist nicht das aus der in der Antike grundgelegten theistischen Fundierung176 herausgetretene Naturrecht von Thomas Hobbes oder das von Rousseau, das den Menschen mit sei- nen Trieben und Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellte und als Garanten des positiven Rechts bedurfte177 – und im 19. Jahrhundert zu einer ein- seitigen Überbewertung der Naturwissenschaften auf Kosten der Geistes- wissenschaften neigte.178 Da dieses „moderne“, rationalistische, die Rechte des Staates aus den Rechten des Individuums ableitende, auf den Gesell- schaftsvertrag angewiesene und somit in naive Gleichmacherei mündende Naturrecht179 – Karl Mannheim nannte es „jakobinisch“180 – erst dort eine Grenze der Freiheit des Einzelnen zog, wo die Freiheit des Nächsten be- ginnt, trug es nach Auffassung seiner Gegner zur Atomisierung der Gesell- schaft bei.181 Für Aristoteles war die Freiheit des Menschen, die natürliche 170 Zur politischen Relevanz des aristotelischen Menschenbildes vgl. rembold, Das Bild, 50 f.; zur Entelechie GuZ, Gott als der Urheber, 156. 171 burZ, Philipp Bugelnig, 157. 172 heer, Europäische Geistesgeschichte, 609 f. 173 mannheim, Konservatismus, 79. 174 d. berGer, Aspekte, 439; GuZ, Gott als der Urheber, 157; härinG, Gesetz, 259 f.; seidl, Zur Diskussion, passim. 175 Zu diesem Attribut vgl. GuZ, Gott als der Urheber, 159. 176 newman, Zerstörung, 222 f. 177 mannheim, Konservatismus, 130 f.; zu den unterschiedlichen, historisch begründeten Er- scheinungsformen des Naturrechts, etwa zur Annahme eines „konservativen“ und eines „revolutionären“ Naturrechts Klenner, Der Januskopf, 26 und passim; zum Rechtspositi- vismus GuZ, Gott als der Urheber, 150. 178 KlotZ, Probleme 2, 159. 179 härinG, Gesetz, 261. 180 mannheim, Konservatismus, 54 und 133. 181 GG 4 (1978), 278–286 (Naturrecht, K.-H. iltinG); G. KlemPerer, Konzepte, 10–12; mann- heim, Konservatismus, 114; vgl. zum Ganzen auch Ziech, Die ständische Verfassung Öster- reichs. 5. DER MENSCH IST PERSON228
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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