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seinerseits in aristotelischer Tradition stand, wichtige Anhaltspunkte:
Der Satz anima forma corporis170 gab etwa Philipp Bugelnig den philoso-
phischen Rückhalt für seine politischen Überzeugungen.171 Der Kärntner
Geistliche wird somit zu einem Kronzeugen des von Friedrich Heer be-
schriebenen Bemühens, die aus den Veränderungen des 19. Jahrhunderts
erwachsenen Aufgaben in der von Thomas selbst vorgegebenen Weise
zu meistern, nämlich durch einen gegenüber der Zeit offenen Rationalis-
mus, eine Renaissance der lex divina172, jener von den Gesetzen bloßer
Mathematik verschiedenen, gleichsam qualitativ gerichteten Schöpfungs-
ordnung173, die auch das Sollen des Menschen sichtbar mache.174 Dieses
christliche, „klassische“175 Naturrecht ist nicht das aus der in der Antike
grundgelegten theistischen Fundierung176 herausgetretene Naturrecht
von Thomas Hobbes oder das von Rousseau, das den Menschen mit sei-
nen Trieben und Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellte und als Garanten
des positiven Rechts bedurfte177 – und im 19. Jahrhundert zu einer ein-
seitigen Überbewertung der Naturwissenschaften auf Kosten der Geistes-
wissenschaften neigte.178 Da dieses „moderne“, rationalistische, die Rechte
des Staates aus den Rechten des Individuums ableitende, auf den Gesell-
schaftsvertrag angewiesene und somit in naive Gleichmacherei mündende
Naturrecht179 – Karl Mannheim nannte es „jakobinisch“180 – erst dort eine
Grenze der Freiheit des Einzelnen zog, wo die Freiheit des Nächsten be-
ginnt, trug es nach Auffassung seiner Gegner zur Atomisierung der Gesell-
schaft bei.181 Für Aristoteles war die Freiheit des Menschen, die natürliche
170 Zur politischen Relevanz des aristotelischen Menschenbildes vgl. rembold, Das Bild, 50 f.;
zur Entelechie GuZ, Gott als der Urheber, 156.
171 burZ, Philipp Bugelnig, 157.
172 heer, Europäische Geistesgeschichte, 609 f.
173 mannheim, Konservatismus, 79.
174 d. berGer, Aspekte, 439; GuZ, Gott als der Urheber, 157; härinG, Gesetz, 259 f.; seidl, Zur
Diskussion, passim.
175 Zu diesem Attribut vgl. GuZ, Gott als der Urheber, 159.
176 newman, Zerstörung, 222 f.
177 mannheim, Konservatismus, 130 f.; zu den unterschiedlichen, historisch begründeten Er-
scheinungsformen des Naturrechts, etwa zur Annahme eines „konservativen“ und eines
„revolutionären“ Naturrechts Klenner, Der Januskopf, 26 und passim; zum Rechtspositi-
vismus GuZ, Gott als der Urheber, 150.
178 KlotZ, Probleme 2, 159.
179 härinG, Gesetz, 261.
180 mannheim, Konservatismus, 54 und 133.
181 GG 4 (1978), 278–286 (Naturrecht, K.-H. iltinG); G. KlemPerer, Konzepte, 10–12; mann-
heim, Konservatismus, 114; vgl. zum Ganzen auch Ziech, Die ständische Verfassung Öster-
reichs. 5. DER MENSCH IST
PERSON228
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580