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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Des cartes teilte er die Auffassung, dass die affectus keine blinden Regungen der animalitas seien, sondern Vollzugsweisen der ratio, die die wahre Welt der Werte ursprünglich und mit einer eigenen Klarheit präsentierten232, mit Husserl die Annahme „höherer“ Gefühle, die ihn die überlieferte dualistische Spaltung zwischen Rationalität und Emotionalität überwinden ließen.233 Dem Menschen maß Scheler eine metaphysische Sonderstellung bei, die er in der Abhandlung Die Stellung des Menschen im Kosmos mithilfe des Be- griffs der Person begründete: Diese sei das Geistzentrum, lebend im Vollzug von Akten und gekennzeichnet durch eine bestimmte Struktur der Welter- fassung.234 Der Geist sei nicht der Ersatz für den verloren gegangenen Ins- tinkt, also keine Vitalfunktion235, sondern das Intentionale und Sinnerfüllte, das es erlaube, zwischen Dasein und Wesen zu unterscheiden. Als seinen ersten Grund nahm Scheler die Liebe an (im Sinn von Hingabe an ein an- deres Seiendes, Teil-Nahme)236, als seine besonderen Fähigkeiten nannte er die Anschauung von Wesensgehalten, wie Güte, Reue, Ehrfurcht, Seligkeit oder Verzweiflung. Für diese Tätigkeit des Geistes verwendete er das Wort „Ideierung“– was viel mehr ist als ein bloßer, allen Lebewesen eignender Akt praktischer Intelligenz. Die Person sei daher vom Ich, dem gleichsam phy- siologischen Gegenstand der Psychologie, zu unterscheiden.237 In diesem Sinn wies Scheler jeden biologischen Monismus, so auch den des Nationalsozialismus, zurück. 238 1927 forderte er die Deutsche Hoch- schule für Politik in Berlin auf, sie möge dazu beitragen, den „uralten tra- gischen deutschen Gegensatz von Macht und Geist“ zu überwinden und in der Krise der parlamentarischen Demokratie „Diktaturtendenzen von rechts und links“ zu bekämpfen.239 Nach seinem Tod (1928) wurde Scheler im NR und in der SZ gewürdigt, grundsätzlich zustimmend, etwa wegen der Hochschätzung von Tugenden wie Demut, Gehorsam, Läuterung und Buße, doch nicht ohne den Blick da- für, dass sein Personbegriff mit der katholischen Lehre nur teilweise über- 91; Koller, Die soziale Entwürdigung, 57; PöGGeler, Max Scheler, 151–156; sander, As- kese, 34 und 42–48; schmidinGer, Max Scheler, 108; witteriede, Einführung, 30–35. 232 coriando, Affektenlehre, 59; Good, Max Scheler, 11. 233 coriando, Affektenlehre, 82 f.; schmidinGer, Max Scheler, 100–102. 234 Koller, Die soziale Entwürdigung, 54–56; PöGGeler, Max Scheler, 159; sander, Max Sche- ler, 94 f.; NR 10. 11. 1928; 17. 11. 1928; 24. 11. 1928; 1. 12. 1928; 8. 12. 1928; 15. 12. 1928 (P. wust). 235 scheler, Die Stellung, 37–40 und 78–89; PöGGeler, Max Scheler, 147–150. 236 frinGs, M. Scheler, 36–40. 237 NR 15. 12. 1928 (P. wust); vgl. frinGs, M. Scheler, 27–36; Good, Max Scheler, 84–86; san- der, Max Scheler, 89 und 132; schmidinGer, Max Scheler, 104, witteriede, Einführung, 28 f. 238 So auch Karl Lugmayer, Sein und Erscheinung; F. luGmayer, Karl Lugmayer, 147. 239 Zit. nach PöGGeler, Max Scheler, 146. 5. DER MENSCH IST PERSON234
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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