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Des
cartes teilte er die Auffassung, dass die affectus keine blinden Regungen
der animalitas seien, sondern Vollzugsweisen der ratio, die die wahre Welt
der Werte ursprünglich und mit einer eigenen Klarheit präsentierten232, mit
Husserl die Annahme „höherer“ Gefühle, die ihn die überlieferte dualistische
Spaltung zwischen Rationalität und Emotionalität überwinden ließen.233
Dem Menschen maß Scheler eine metaphysische Sonderstellung bei, die
er in der Abhandlung Die Stellung des Menschen im Kosmos mithilfe des Be-
griffs der Person begründete: Diese sei das Geistzentrum, lebend im Vollzug
von Akten und gekennzeichnet durch eine bestimmte Struktur der Welter-
fassung.234 Der Geist sei nicht der Ersatz für den verloren gegangenen Ins-
tinkt, also keine Vitalfunktion235, sondern das Intentionale und Sinnerfüllte,
das es erlaube, zwischen Dasein und Wesen zu unterscheiden. Als seinen
ersten Grund nahm Scheler die Liebe an (im Sinn von Hingabe an ein an-
deres Seiendes, Teil-Nahme)236, als seine besonderen Fähigkeiten nannte er
die Anschauung von Wesensgehalten, wie Güte, Reue, Ehrfurcht, Seligkeit
oder Verzweiflung. Für diese Tätigkeit des Geistes verwendete er das Wort
„Ideierung“– was viel mehr ist als ein bloßer, allen Lebewesen eignender Akt
praktischer Intelligenz. Die Person sei daher vom Ich, dem gleichsam phy-
siologischen Gegenstand der Psychologie, zu unterscheiden.237
In diesem Sinn wies Scheler jeden biologischen Monismus, so auch den
des Nationalsozialismus, zurück. 238 1927 forderte er die Deutsche Hoch-
schule für Politik in Berlin auf, sie möge dazu beitragen, den „uralten tra-
gischen deutschen Gegensatz von Macht und Geist“ zu überwinden und in
der Krise der parlamentarischen Demokratie „Diktaturtendenzen von rechts
und links“ zu bekämpfen.239
Nach seinem Tod (1928) wurde Scheler im NR und in der SZ gewürdigt,
grundsätzlich zustimmend, etwa wegen der Hochschätzung von Tugenden
wie Demut, Gehorsam, Läuterung und Buße, doch nicht ohne den Blick da-
für, dass sein Personbegriff mit der katholischen Lehre nur teilweise über-
91; Koller, Die soziale Entwürdigung, 57; PöGGeler, Max Scheler, 151–156; sander, As-
kese, 34 und 42–48; schmidinGer, Max Scheler, 108; witteriede, Einführung, 30–35.
232 coriando, Affektenlehre, 59; Good, Max Scheler, 11.
233 coriando, Affektenlehre, 82 f.; schmidinGer, Max Scheler, 100–102.
234 Koller, Die soziale Entwürdigung, 54–56; PöGGeler, Max Scheler, 159; sander, Max Sche-
ler, 94 f.; NR 10. 11. 1928; 17. 11. 1928; 24. 11. 1928; 1. 12. 1928; 8. 12. 1928; 15. 12. 1928
(P. wust).
235 scheler, Die Stellung, 37–40 und 78–89; PöGGeler, Max Scheler, 147–150.
236 frinGs, M. Scheler, 36–40.
237 NR 15. 12. 1928 (P. wust); vgl. frinGs, M. Scheler, 27–36; Good, Max Scheler, 84–86; san-
der, Max Scheler, 89 und 132; schmidinGer, Max Scheler, 104, witteriede, Einführung, 28 f.
238 So auch Karl Lugmayer, Sein und Erscheinung; F. luGmayer, Karl Lugmayer, 147.
239 Zit. nach PöGGeler, Max Scheler, 146. 5. DER MENSCH IST
PERSON234
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580