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„schmerzlich“.696 Schmerz bereitete ihm, dass die „politische Denkart und
Lebensform des alten Konservativismus“ verdrängt worden sei: „Die Kon-
servativen aller Nationen des alten Reiches haben den Staat besser bewahrt
als so manche ihrer beweglichen, wetterwendischen und jäh entbrennten
Nachfahren. Was sie an sozialem Fortschritt, Werken sozialer Gerechtigkeit
schufen an einer Zeitenschwelle, an welcher der mächtige Liberalismus noch
nicht abgetreten war, ist denkwürdig.“697 Auch bedauerte er, dass seiner Zeit
der Sinn für Einrichtungen wie ein adliges Damenstift abhanden gekommen
sei698: Die Zeit sei ganz „über sie hinweg geschritten, so wie vieles unter ih-
rem Tritt verschwindet, das für veraltet und überwunden gehalten wird und
doch in sich, solange es bestanden hatte, etwas Trauliches, aus Zartsinn Ge-
borenes war und nur deshalb von uns als überholt betrachtet wird, weil wir
gröber und egoistischer geworden sind“.699
Hans Karl Zeßner-Spitzenberg äußerte sich in ähnlicher Weise über Kai-
ser Karl: „Sein Verhängnis bestand darin, dass er in seiner vornehmen Na-
tur zu rücksichtsvoll war und es versäumte, in seiner Nähe sich aufblähende
Überhebung rechtzeitig niederzuschlagen.“700 Friedrich Funder hob an Kurt
Schuschnigg nicht nur „seine hohe Intelligenz und seine persönliche Ehren-
haftigkeit“ hervor, sondern betonte auch, dass er „kein gefühlsarmer Realist“
gewesen sei, wie man es aufgrund seiner juristischen Strenge und seiner
persönlichen Verschlossenheit annehmen könne.701 Lois Weinberger urteilte
über den Bundeskanzler, dieser sei „für die damalige Zeit viel zu feinnervig,
viel zu vornehm und viel zu gut“ gewesen.702
Weinberger, während des Zweiten Weltkriegs von Karl Lugmayer als kon-
genialer Gesprächspartner zu Fragen des Personalismus ausersehen703, gab
mit seiner Einschätzung einen Sinn für das Maß zu erkennen, dem auch
Dichter in ihren Werken eine Stimme verliehen, etwa Franz Karl Ginzkey.704
Rudolf Henz setzte dem nihilistischen „Dogma der Allerweltsintellektuel-
len“, der „von Schwachköpfen und Narren diktierten Automatik“705 und nicht
zuletzt dem Utilitarismus Positives entgegen. Wohl aus diesem Grund ließ
696 W. lorenZ, Funder, 11.
697 funder, Vom Gestern, 253 f.
698 Er hatte ein solches in Wien ab 1899 als Verwalter gründlich kennen gelernt; funder, Vom
Gestern, 187 f.
699 funder, Vom Gestern, 189.
700 SZ 27. 1. 1929 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
701 funder, Sturm, 237.
702 weinberGer, Tatsachen, 58.
703 F. luGmayer, Karl Lugmayer, 144 ; Pribyl, Der christlichsoziale Politiker, 145.
704 castle, Dichter, 245.
705 henZ, Fügung, 274, 282. 5. DER MENSCH IST
PERSON282
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580