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dezu283: Sie sei ein Lebensraum beharrender Kräfte284, in dem sich ständi-
sche Merkmale leichter orten ließen als in anderen Bereichen. 285 Otto von
Habsburg bezeichnete die hohe Wertschätzung des Bauerntums als „Vor-
bedingung“ für die Entstehung der Idee eines Ständestaates in den dreißi-
ger Jahren.286 1936 erschien in der MSchKP der Aufsatz Der österreichische
Bauer in der Geschichte des Wiener Wirtschaftshistorikers Alfons Dopsch.287
Dass Engelbert Dollfuß in der Welt der Bauern sozialisiert und mit der
„Bauerndemokratie“ sehr vertraut war, ist ein schon seit langem betontes
Faktum.288 Dasselbe galt für einige Mandatare mit bäuerlichen Wurzeln.289
Bei Florian Födermayr290, einem „typischen Bauernpolitiker“ (E. Hanisch)291,
zeigte sich das bäuerliche Standesbewusstsein schon im Stolz, mit dem er
auf seine Herkunft aus einem „erbeingesessenen“ Geschlecht hinwies.292 Da-
bei war er in seiner Familie gar nicht der erbende Sohn gewesen, sondern
hatte sich selbst einen Hof erwerben müssen.293 Überzeugt von der Verant-
wortung des Einzelnen gegenüber Vorfahren und Nachkommen, die einen
größeren Zusammenhang herstelle, als er für den traditionslosen Individua-
listen durch die relativ kurze Dauer des menschlichen Lebens möglich sei294,
setzte er mit seinen Lebenserinnerungen einen Akt der Selbstidentifikation,
der nicht nur der eigenen Person, sondern dem Stand galt: Sonst hätte er
nicht sein Bedauern darüber ausgesprochen, dass kein einziger von meh-
reren bäuerlichen Abgeordneten, die nach dem Ersten Weltkrieg dem Par-
lament angehörten, Aufzeichnungen über sein Wirken hinterlassen habe.
Seine politische Tätigkeit verstand er als „Standesvertretung“.295
283 Zurückzuweisen ist der Ansatz, die Idealisierung von Bauerntum und Kleingewerbe als In-
dikator für eine als ‚typisch faschistisch’ einzustufende Politik zu bezeichnen; sonnleitner,
Widerstand, 31.
284 KlotZ, Sturm, 9 und 12 f.
285 R. schmitZ, Die berufsständische Neuordnung, 13; R. schmitZ, Der Weg, 37, vgl. seliGer,
Scheinparlamentarismus, 58.
286 Zit. nach waltersKirchen, Dollfuß, 44.
287 MSchKP 1, 31–41 (A. doPsch).
288 dollfuss an österreich, 145–149; vgl. hanisch, Dilemma, 107; v. hildebrand, Engelbert
Dollfuß, 23; JaGschitZ, Dollfuß, 192–196; KlotZ, Sturm, 58 f.; KluGe, Dollfuß, 131–136; mil-
ler, Engelbert Dollfuß, 18.
289 Genauere Forschungen liegen zu Buchinger, Figl, Födermayr und Reither vor; lebensaft/
mentschl, Feudalherren, 27–31, 45–47, 50–52 und 105–108.
290 Zu seiner Laufbahn vgl. Kriechbaumer, Dieses Österreich, 152.
291 Zu ihm hanisch, Die Politik, 72–74.
292 födermayr, Vom Pflug, 54.
293 lebensaft/mentschl, Feudalherren, 159; slaPnicKa, Oberösterreich, 83.
294 allmayer-becK, Konservatismus, 39.
295 födermayr, Vom Pflug, 4 f. 6.
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580