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Für Georg Baumgartner war das Bauerntum nicht nur der produzierende
Stand311, sondern auch jener, dessen Erhaltung „den Fortbestand der Quell-
gründe eines ganzen Volkstums“ bedeute312, für Richard Schmitz zudem
„der Hüter gesunder Tradition, ein Hort der Religion und eine zuverlässige
Stütze für die staatliche Ordnung“.313 Gleich Eduard von Baar-Baarenfels
schätzte er den hohen Wert von Sitte und Brauch sowie des Glaubens314, ein
Aspekt, den auch Dollfuß unterstrich.315 Friedrich Funder lobte am Bauern
„Festigkeit, Ruhe und den klaren Blick für die Ordnung in den Dingen“.316
August M. Knoll sah im Bauernstand ein Gefühl weiterleben, das frü-
her alle Stände gehabt hätten, nämlich nicht nur um seiner selbst willen,
sondern für alle da zu sein.317 Leopold Figl hielt ihm zugute, sich nie abge-
kapselt, sondern stets mit allen Ständen zusammengearbeitet zu haben.318
Für Leopold Teufelsbauer ermögliche der Bauernstand „das Bestehen der
anderen Stände“; der sichtbare Erfolg ihrer Arbeit lasse die Bauern „Stan-
desfreude“ empfinden.319 Erich Stoekl wünschte, „dass in unsern Tagen der
Bauer wieder zu Ehren kommt, dass das Verständnis im Volk wächst für die
Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Kopf und Hand in Stadt und Land,
das Bewusstsein der Abhängigkeit voneinander“.320
Die eben beschriebenen Eigenschaften des Bauernstands verdichten sich
in Oskar Bendas Theorie von der Sublimationsfähigkeit bäuerlichen Stils321,
nach Othmar Spann „Überhöhungsfähigkeit“.322 Im StL ließ Letzterer Au-
toren zu Wort kommen, die diesen Aspekt vertieften.323 Er selbst erläuterte
sein Bild des Bauerntums in einem mit Die ständische Ordnung der Land-
wirtschaft überschriebenen Kapitel.324 1936 unterbreitete Gertrud Spinnhirn
Vorschläge für die praktische Umsetzung dieser Gedanken.325
311 So auch henZ, Fügung, 127.
312 baumGartner, Arbeit und Erwerb, 59; ähnlich Leopold Figl (fiGl, Reden, 98; fiGl, Ansich-
ten, 240) und Dollfuß (miller, Engelbert Dollfuß, 18).
313 R. schmitZ, Das christlichsoziale Programm, 46.
314 Anita KorP, Aufstieg, 67; R. schmitZ, Der Weg, 35, 38.
315 dollfuss an österreich, 153.
316 funder, Aufbruch, 28.
317 Knoll, Das Ringen, 10.
318 fiGl, Ansichten, 21, 66, 148 und 239; Lois Weinberger hielt dies besonders Jodok Fink zu-
gute; weinberGer, Tatsachen, 38.
319 CS 17. 6. 1934 (L. teufelsbauer); teufelsbauer, Landfrauenarbeit, 1.
320 stoeKl, Predigten, 16 f.; Rudolf Buchinger nannte praktische Aspekte; buchinGer, Das Wir-
ken, 27; zur Figur des nicht profitorientierten Bauern vgl. senft, Im Vorfeld, 71.
321 benda, Die österreichische Kulturidee, 58 f.
322 H. walter, Ständewesen, 114.
323 StL 1934, 87–92 (H. riehl).
324 sPann, Der wahre Staat, 267–270.
325 sPinnhirn, Agrarpolitik, 21–24; vor allem dort, wo sie die Beziehungen der Bauern zu ande-
6.
STANDESBEWUSSTSEIN332
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580