Page - 337 - in „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Image of the Page - 337 -
Text of the Page - 337 -
schaft eingetreten zu sein: Letzterer glaubte mit dessen Tod, endgültig 1848,
das Ende dieser Form bestimmen zu können.375 Max Scheler würdigte die
Bedarfswirtschaft als Ausdrucksform der für ihn richtigen Auffassung von
Arbeit, nämlich als Mittel, nicht als Zweck: Andernfalls würde die Rang-
ordnung der personalen Werte pervertiert.376 Philipp Bugelnig schrieb ihre
Zerstörung dem Liberalismus zu.377 Im StL ließ Othmar Spann einschlägige
Beiträge erscheinen378 und förderte die kritische Auseinandersetzung mit
der neuesten Fachliteratur.379
Ausführlich widmete sich Anton Orel der Bedarfswirtschaft. In seinem
Denken stand Arbeit als Voraussetzung eines standesgemäßen Lebensunter-
halts an zentraler Stelle, während er jedes Streben nach Gewinn ablehnte.
Gemäß der katholischen Soziallehre380 forderte er aber nicht die Beschrän-
kung auf das Existenzminimum, sondern ließ auch die Bildung von Rückla-
gen für Kindererziehung oder Altersvorsorge zu.381 Arbeitsloses Einkommen
hatte in seinen Augen keine Berechtigung; besonders hart ins Gericht ging
er mit den Aktiengesellschaften.382
Dasselbe tat Friedrich von Weichs in seinen Ausführungen zum Darle-
henszins: Bis zu einem bestimmten Grad brauche es diesen, denn in einer
geordneten Wirtschaft habe das Geld „dieselbe Funktion wie das Blut im
Organismus“. Es solle ständig zirkulieren und in allen Teilen befruchtend
wirken; staue es sich an einer bestimmten Stelle, dann sei anderswo Mangel.
Dass an der Börse alles zum Handelsobjekt gemacht werde, sei zu verurtei-
len: Aktien entzögen das Geld seiner natürlichen Bestimmung383, und „an die
Stelle der freien Marktwirtschaft trat die Vermachtung der Wirtschaft“.384
Die Kritik von Anton Klotz galt der Zinspolitik der Banken, die Spekulation
fördere, eine besonders schädliche Auswirkung des Kapitalismus. Mitun-
ter gebe es allerdings Gründe, die das Zinsnehmen rechtfertigten.385 Im StL
wurde der Kredit befürwortet, sofern er nicht nach privatwirtschaftlicher
375 Knoll, Das Ringen, 7; Knoll, Katholizismus, 8; Knoll, Der soziale Gedanke, 46 f.
376 böhr, Der Mensch, 209–216.
377 buGelniG, Der Ständestaat, 73; vgl. burZ, Philipp Bugelnig, 161; im konservativen Libera-
lismus nach 1945 erfolgte eine teilweise Renaissance des Ideals der Autarkie; habermann,
Das Maß, 16 f., 32.
378 StL 1933, 147 f. (E. laGler).
379 StL 1933, 172–179 (S. M. radda).
380 hättich, Wirtschaftsordnung, 18.
381 orel, Ständeordnung, 17–26.
382 orel, Ständeordnung, 37–41; vgl. neGer, Verfassung, 20 f.
383 v. weichs, Der Weg, 45–49.
384 v. weichs, Der Weg, 51.
385 KlotZ, Probleme 2, 267–275.
6.5 BAUERNTUM ALS IDEAL 337
back to the
book „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit"
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580