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Rentabilität vergeben werde, sondern die Wirtschaft insgesamt befruchte.386
Deutliche Worte für die Härten der Gewinnwirtschaft fanden Johann Staud
(„das wirtschaftliche Faustrecht“387) und Johann Kleinhappl SJ (die Folge
werde Klassenkampf sein 388). Die Wirtschaft, so Richard Kerschagl389, dürfe
für die Gesellschaft lediglich Mittel sein, das Ziel müsse auf einer höheren
Ebene liegen390. Hermann Struber gab unter Berufung auf QA zu bedenken,
die Krise könne nur durch christliche Gerechtigkeit überwunden werden.
Oberstes Prinzip einer Neuordnung müsse es sein, dass „die Menschen und
ihr Gemeinwohl [...] wieder in den Mittelpunkt der Wirtschaft gerückt wer-
den“.391 Franz Waschnig trat ebenfalls für die Bedarfswirtschaft ein.392
Karl Lugmayers Abhandlung Der Gewinnwirtschaft Werden und andere
Studien, in denen er Bedarfs- und Gewinnwirtschaft einer vergleichenden
Analyse unterzog393, fanden große Beachtung; sie sollen die für die Konzi-
pierung von QA maßgeblichen Stellen beeinflusst haben.394 Angelpunkt war
die Forderung nach einer dem „Sittengesetz“ unterworfenen Wirtschaft; die
Gewinnwirtschaft beruhe auf der Zerstörung desselben.395 Da kein Gewinn
ohne Verlust, den ein anderer erleide, zu erzielen sei, sei jedes Gewinnstre-
ben „gesellschaftswidrig“.396 Ursprünglich von Kaufleuten an den Tag gelegt,
habe diese Haltung seit dem 16. Jahrhundert auf alle Schichten übergegrif-
fen.397 Sie sei umso bedenklicher, als sie „Entfaltung des Trieblebens“ sei:
„Das stimmt nicht zum menschlichen Wesen. Menschliches Wesen ist Bin-
dung.“398 Die Grundsätze der Gerechtigkeit und der Liebe, die „in Haus und
Sakristei“ gälten, sollten auch in der Politik zur Anwendung kommen.399
Einen Mittelweg zeichnete Friedrich von Weichs: Selbst eine Produktion,
die nur dem Bedarf diene, sei ohne Kapital nicht mehr möglich, dieses lasse
sich also von der Arbeit nicht trennen. Spekulation mit Kapital dürfe aber
386 StL 1934, 65–75 (R. störcK).
387 staud, Berufsauffassung, 4.
388 CS 23. 12. 1934 (J. KleinhaPPl SJ).
389 B. dachs, Richard Kerschagl, 3.
390 K. luGmayer, Linzer Programm, 46; K. luGmayer, Grundrisse, 178.
391 struber, Österreichs Wiederaufbau, 20.
392 waschniG, Wirtschaftsreform, 30.
393 K. luGmayer, Grundrisse, 166.
394 novotny, Der berufsständische Gedanke, 212.
395 K. luGmayer, Grundrisse, 227; K. luGmayer, Linzer Programm, 40.
396 K. luGmayer, Grundrisse, 216; vgl. streitenberGer, Leitbild, 21.
397 Hermann Stipek, der in den Grundaussagen Lugmayer folgte, führte diese „Entartung der
Wirtschaft“ in der Neuzeit darauf zurück, dass die Individualität in den Vordergrund ge-
rückt sei; stiPeK, Das Werden, 4 f.
398 K. luGmayer, Leos Lösung, 39 f.
399 K. luGmayer, Grundrisse, 5. 6.
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580