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nicht stattfinden. Solange sich Kapitalwirtschaft an das Sittengesetz ge-
bunden fühle, könne sie nicht grundsätzlich mit Kapitalismus gleichgesetzt
werden. Dieses Wort verwendete er für die „ungeordnete, verderbte Kapi-
talwirtschaft“.400 Ein geordneter Kapitalismus sei mit der berufsständischen
Ordnung vereinbar, weil der Mensch im Mittelpunkt stehe.401 Wegen der
weitgehenden Einheit von Kapital und Arbeit setzte Hermann Stipek viele
Hoffnungen in das Handwerk.402
In weiterem Sinn in die Autarkiethematik fiel das Konzept der Bedarfs-
deckung aus inländischer Produktion. Gertrud Spinnhirn sprach sich gegen
„Freihandel“ aus. Sie wusste aber, dass eine völlige Aussetzung des Außen-
handels nicht möglich war, und hieß ihn daher gut, sofern er sich auf das
unbedingt Nötige beschränke.403 Friedrich von Weichs akzeptierte Autarkie
allenfalls als Übergangslösung; in seinem ständestaatlichen Entwurf sah er
auch Außenhandel vor404, sofern von freihändlerischen Methoden Abstand
genommen werde.405 Auch Hermann Strubers Ideal wäre der Verzicht auf
jegliche Einfuhr und Ausfuhr gewesen, aber er beugte sich den Erfordernis-
sen der Zeit.406 Er hatte erkannt, dass völlige Autarkie nicht mehr möglich
war, weil sie den Verzicht auf inzwischen selbstverständlich gewordene Kul-
turgüter bedeutet hätte. Ausdrücklich berief er sich auf Richard Nikolaus
Coudenhove-Kalergis Paneuropa-Konzept.407 Die Pläne des französischen
Ministerpräsidenten Aristide Briand zu einer Europäischen Föderalen
Union408 wurden in Österreich hingegen abgelehnt, weil sie nicht zu einer
organischen Gliederung führen, sondern nur organisatorisch eine Friedens-
organisation herbeiführen würden.409 Mit Blick auf die Nachfolgestaaten
der Monarchie waren sie in den frühen dreißiger Jahren auch kaum realis-
tisch.410 Josef Reither erklärte 1935 in einer Propagandaschrift vollmundig,
Österreich sei dem Ideal der Autarkie schon sehr nahe.411
Obwohl Überzeugungen der eben beschriebenen Art durchaus verbreitet
gewesen zu sein scheinen – auch Mussolini bezeichnete 1936 im Licht der
400 v. weichs, Der Weg, 35–41.
401 v. weichs, Der Weg, 53.
402 stiPeK, Das Werden, 12 f.
403 sPinnhirn, Agrarpolitik, 33–35.
404 v. weichs, Der Weg, 32 f.
405 v. weichs, Der Weg, 54.
406 struber, Österreichs Wiederaufbau, 23.
407 struber, Österreichs Wiederaufbau, 47 f.
408 matis, Wirtschaftliche Mitteleuropa-Konzeptionen, 233 f.
409 busshoff, Dollfuß-Regime, 48.
410 matis, Wirtschaftliche Mitteleuropa-Konzeptionen, 230.
411 unterrainer, Wirtschaftspolitik, 65.
6.5 BAUERNTUM ALS IDEAL 339
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580