Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Page - 346 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 346 - in „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit

Image of the Page - 346 -

Image of the Page - 346 - in „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit

Text of the Page - 346 -

element geworden.463 Die Bauern selbst ließen sich hingegen vom städtischen Leben allzu sehr beeinflussen.464 Dieses Phänomen stimmte auch die konser- vativ-liberale Wirtschaftswissenschaft besorgt: Wilhelm Röpke forderte von den Menschen im Dorf und in der Kleinstadt klare Bekenntnisse zu diesen Kulturwerten und hieß die Anpassung an städtischen Lebensstil nicht gut.465 Nur Ernst Karl Winter sah Stadt und Land nicht als notwendige Gegen- sätze, sondern wünschte die Kooperation: So sehr auch er den Bauernstand schätzte, glaubte er doch, dass es gut wäre, wenn der organisatorische Fort- schritt der Stadt dem Land zugute käme.466 Auch unter den Mandataren gab es solche, die die Schattenseiten des bäuerlichen Lebens klar sahen. Hans Karl Zeßner-Spitzenberg stellte 1920 ernüchtert die Lockerung verwandtschaftlicher Beziehungen und die Auf- lösung der alten Gesindeverfassung fest.467 Er selbst hatte als Gutsherr in Umsetzung Vogelsang’scher Ideale bereits vor 1914 ein Exempel statuiert, indem er mit den auf seinem familieneigenen Betrieb tätigen Landarbeitern einen Kollektivvertrag schloss, den ersten dieser Art im gesamten deutschen Sprachraum.468 In seiner Habilitationsschrift hatte er sich mit Fragen des Landarbeiterrechts beschäftigt.469 All dies geschah aus jener genuin christli- chen Überzeugung des Gutsbesitzers und Landwirtschaftsexperten, die sich im Grundsatz „Eigentum verpflichtet, zumal den Besitzlosen gegenüber“470, verdichtete. Er betonte außerdem die Wichtigkeit sozialer und alltagsgeselli- ger Beziehungen zwischen den Lohnarbeitskräften und den landwirtschaft- lich Besitzenden, zumindest den unteren Schichten derselben, und erklärte eheliche Verbindungen zwischen ihnen für wünschenswert.471 Johann Blöchl schrieb es dem Einfluss des Liberalismus zu, dass der gesellschaftliche Un- terschied zwischen Bauer und Knecht größer geworden sei und dass manche, für ihn „undenkbar“ (so noch 1975), den gemeinsamen Tisch gemieden hät- ten.472 Für Leopold Teufelsbauer war diese Weltanschauung dem vormals guten Verhältnis zwischen Eltern und Kindern abträglich gewesen.473 463 NR 25. 4. 1931 (J. weiGert). 464 NR 9. 5. 1931 (J. weiGert). 465 habermann, Das Maß, 44 f. 466 heinZ, E. K. Winter, 153. 467 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Einführung, 116–119. 468 fux, Für Christus, 22; waltersKirchen, Blaues Blut, 70; wohnout, Hans Karl Zeßner-Spit- zenberg, 7; K. P. Zeßner-sPitZenberG, Hans Karl, 20. 469 wohnout, Hans Karl Zeßner-Spitzenberg, 7. 470 K. P. Zeßner-sPitZenberG, Hans Karl, 54. 471 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Einführung, 107. 472 blöchl, Lebenserinnerungen, 76. 473 CS 17. 6. 1934 (L. teufelsbauer). 6. STANDESBEWUSSTSEIN346
back to the  book „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit"
„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
„Berufsstand“ oder „Stand“?