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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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rer Geburt irgendwie zusammengehörten.873 Als eine Art Vorform der zeit- genössischen Berufsverbände nannte er die nationes der mittelalterlichen Universitäten, die auch ständische Interessenvertretung geleistet hätten. Dasselbe gelte für die seit dem 15. Jahrhundert auf den Konzilien agieren- den Interessenvertreter weltlicher Machthaber. Alle drei Gruppen verbinde die Existenz in der Fremde, aber das Fehlen des Kriteriums „Volk“.874 Was die Konzilsdelegaten von den übrigen Nationsangehörigen unter- schieden habe, sei ihr Charakter einer bewusst gebildeten Elite. Um eine solche handle es sich auch bei der Nation als Gemeinschaft der Gebildeten, die sich von der Volksmasse abhöben. Ähnliches gelte für die Versammlung der Land- und Provinzialstände, „die Gesamtheit aller Vornehmen“.875 Da- raus zog Zernatto einen in Hinblick auf die Nähe der Thematik zu der des Stands relevanten Schluss: „Das erste Handeln einer Nation besteht in der Ausbildung einer eigenen Elite. Ohne Elite gibt es keine Nation.“876 Mit der- lei Überlegungen war die Basis für ein wichtiges Zwischenergebnis geschaf- fen: „Der Name Nation bezeichnet nie eine Gesamtheit.“877 Diese Einsicht war am Ende des 18. Jahrhunderts, als die Massen die politische Bühne betraten, noch nicht Gemeingut. Vielmehr wurde damals die Suche nach den Kriterien, die eine Nation ausmachten, als dringlich empfunden. Immer lauter wurde der Wunsch, ein Set objektiver und subjek- tiver Merkmale zu benennen, das gegenüber allen anderen Prinzipien des menschlichen Zusammenlebens einen absoluten politischen Herrschaftsan- spruch rechtfertigte.878 In diesem Zusammenhang ist Zernattos Unterscheidung zwischen dem Nationsbegriff der westlichen Staaten und dem mittel- und osteuropäischen von Interesse. Der Erstere sei dem 1789 lancierten Paradigma der Volkssou- veränität verpflichtet und habe im zentral verwalteten Einheitsstaat, dem sich das Individuum freiwillig einordne, sein politisches Ideal gefunden: Die Staatsnation wolle eine territoriale Heimat darstellen879 – und alle weite- 873 Vgl. brucKmüller, Nation Österreich, 24; Potočnik, Bewusstsein, 10. 874 Zernatto, Vom Wesen, 74–79; vgl. Potočnik, Bewusstsein, 11–13. 875 Zernatto, Vom Wesen, 81–83; vgl. auch brucKmüller, Nation Österreich, 25 und 279; Po- točnik, Bewusstsein, 14. Wenn im 18. Jahrhundert von einer „Tirolischen Nation“ die Rede war, so ist der Begriff „Vornehme“ auch auf die Bauern auszudehnen, die in diesem Land seit dem Spätmittelalter als Stand anerkannt wurden; cole, Religion, 349. 876 Zernatto, Vom Wesen, 135. 877 Zernatto, Vom Wesen, 88. 878 DöMők, Nationalitätenfrage, 71. 879 Zernatto, Vom Wesen, 170; vgl. brucKmüller, Nation Österreich, 29; Potočnik, Bewusst- sein, 14 und 17. 6.7 HEIMATBEWUSSTSEIN VERSUS NATIONALISMUS 385
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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