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rer Geburt irgendwie zusammengehörten.873 Als eine Art Vorform der zeit-
genössischen Berufsverbände nannte er die nationes der mittelalterlichen
Universitäten, die auch ständische Interessenvertretung geleistet hätten.
Dasselbe gelte für die seit dem 15. Jahrhundert auf den Konzilien agieren-
den Interessenvertreter weltlicher Machthaber. Alle drei Gruppen verbinde
die Existenz in der Fremde, aber das Fehlen des Kriteriums „Volk“.874
Was die Konzilsdelegaten von den übrigen Nationsangehörigen unter-
schieden habe, sei ihr Charakter einer bewusst gebildeten Elite. Um eine
solche handle es sich auch bei der Nation als Gemeinschaft der Gebildeten,
die sich von der Volksmasse abhöben. Ähnliches gelte für die Versammlung
der Land- und Provinzialstände, „die Gesamtheit aller Vornehmen“.875 Da-
raus zog Zernatto einen in Hinblick auf die Nähe der Thematik zu der des
Stands relevanten Schluss: „Das erste Handeln einer Nation besteht in der
Ausbildung einer eigenen Elite. Ohne Elite gibt es keine Nation.“876 Mit der-
lei Überlegungen war die Basis für ein wichtiges Zwischenergebnis geschaf-
fen: „Der Name Nation bezeichnet nie eine Gesamtheit.“877
Diese Einsicht war am Ende des 18. Jahrhunderts, als die Massen die
politische Bühne betraten, noch nicht Gemeingut. Vielmehr wurde damals
die Suche nach den Kriterien, die eine Nation ausmachten, als dringlich
empfunden. Immer lauter wurde der Wunsch, ein Set objektiver und subjek-
tiver Merkmale zu benennen, das gegenüber allen anderen Prinzipien des
menschlichen Zusammenlebens einen absoluten politischen Herrschaftsan-
spruch rechtfertigte.878
In diesem Zusammenhang ist Zernattos Unterscheidung zwischen dem
Nationsbegriff der westlichen Staaten und dem mittel- und osteuropäischen
von Interesse. Der Erstere sei dem 1789 lancierten Paradigma der Volkssou-
veränität verpflichtet und habe im zentral verwalteten Einheitsstaat, dem
sich das Individuum freiwillig einordne, sein politisches Ideal gefunden: Die
Staatsnation wolle eine territoriale Heimat darstellen879 – und alle weite-
873 Vgl. brucKmüller, Nation Österreich, 24; Potočnik, Bewusstsein, 10.
874 Zernatto, Vom Wesen, 74–79; vgl. Potočnik, Bewusstsein, 11–13.
875 Zernatto, Vom Wesen, 81–83; vgl. auch brucKmüller, Nation Österreich, 25 und 279; Po-
točnik, Bewusstsein, 14. Wenn im 18. Jahrhundert von einer „Tirolischen Nation“ die Rede
war, so ist der Begriff „Vornehme“ auch auf die Bauern auszudehnen, die in diesem Land
seit dem Spätmittelalter als Stand anerkannt wurden; cole, Religion, 349.
876 Zernatto, Vom Wesen, 135.
877 Zernatto, Vom Wesen, 88.
878 DöMők, Nationalitätenfrage, 71.
879 Zernatto, Vom Wesen, 170; vgl. brucKmüller, Nation Österreich, 29; Potočnik, Bewusst-
sein, 14 und 17.
6.7 HEIMATBEWUSSTSEIN VERSUS NATIONALISMUS 385
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580