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seitigt wurden“1090, passten in dieses Bild. Das Nichtvorhandensein einer syste-
matischen Verfassung, der Vorrang der Tradition vor dem positiven Recht und
der hohe Stellenwert des Gedankens der Treue sind Aspekte, die für Vertreter
personalistischen Denkens nur positiv zu Buche schlagen konnten.1091
Die Schuld am Zusammenbruch dieses Reichs, so die in Österreich vor-
herrschende Meinung, trage der in Deutschland an den Tag gelegte Natio-
nalismus, der auch mit dem Protestantismus in Zusammenhang stehe.1092
Der Gedanke des Sacrum Imperium habe nur in Österreich überlebt; hier
sei – gerade nach dem Kulturbruch der Reformation – das für das Reich Ty-
pische erhalten geblieben1093, während das 1871 gegründete „Zweite“ Reich
gegen die Tradition des „Ersten“ entstanden sei.1094 Einem „westlerischen“
Staatsideal verfallen, sei es, so Anton Klotz, nicht auf einer tragenden Idee,
sondern „auf dem Flugsand des Liberalismus aufgebaut“ gewesen.1095 Er sah
einen Zusammenhang zwischen Reichsidee und Katholizismus; den Begriff
„Staatsidee“ verband er mit Liberalismus, Sozialismus, Preußentum und
Protestantismus. Daher liege in Österreich die Basis für ein starkes Mit-
teleuropa.1096 Aus ähnlichen Gründen sah Gonzague de Reynold nur in Ös-
terreich die Möglichkeit eines Fortlebens der alten Reichsidee.1097 Gertrud
Fussenegger hatte die Lektüre des Buches Sacrum Imperium von Alois
Dempf (1929)1098 einen Begriff vom Reich vermittelt, das deshalb höhere
Wertschätzung verdiene als ein Staat, weil es, anders als dieser, für mehr
als sich selbst „politische und sittliche Verantwortung“ trage.1099 Ähnliche
Worte fand, traumatisiert von den Ereignissen des März 19381100, ihr Dich-
terkollege Alexander Lernet-Holenia: Hitler wisse nicht, was ein Reich sei,
verwechsle es mit einem Staat, „etwa wie sonst die Leute die Wohlfahrt des
Daseins mit der Berufung, Menschen zu sein, verwechseln“.1101 Alexander
1090 stollberG-rilinGer, Das Heilige Römische Reich, 36.
1091 cole, Il Sacro Romano Impero, 275; maZohl-wallniG, Zeitenwende, 183–188; stoll-
berG-rilinGer, Reich, 7.
1092 suPPanZ, Österreichische Geschichtsbilder, 77–80; die enge, machtstaatliche Vorstellung
des 19. Jahrhunderts versperrte den Blick für die alte Reichsidee; KamPmann, Das Heilige
Römische Reich, 721.
1093 ebneth, Wochenschrift, 138 f.
1094 ePPel, Zwischen Kreuz, 137; lanGewiesche, Was heißt, 33.
1095 KlotZ, Was wird, 79–82.
1096 KlotZ, Was wird, 68; KlotZ, Sturm, 5 f.; vgl. seefried, Reich, 420.
1097 SZ 23. 1. 1927 (G. de reynold).
1098 Zu diesem Buch battisti, Alois Dempf, 227 f.; berninG, Alois Dempf, 100–106; schmuGGe,
Alois Dempfs „Sacrum Imperium“; zu Dempfs Reichsidee seefried, Reich, 186.
1099 fusseneGGer, Spiegelbild, 289; vgl. maZohl, Il Sacro Romano Impero, 59–61.
1100 Roček, Die neun Leben, 202 f.
1101 lernet-holenia, Der Graf, 31; vgl. mayer, Wunscherfüllungen, 94–96.
6.8 ÖSTERREICHBEWUSSTSEIN VERSUS NATIONALSOZIALISMUS 407
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580