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Klientelwesen förderlich.51 In der Ersten Republik erlangten vor allem land-
wirtschaftliche Genossenschaften hohe Bedeutung.52 Diese Politik entsprang
dem Wunsch nach Erhaltung der bäuerlichen Betriebe.53 Es gab mehrere
Organisationen: Landwirtschaftsgesellschaften als freie Vereine, Landes-
kulturräte als öffentlich-rechtliche Einrichtungen und den Bauernbund als
politische Interessenvertretung.54
1933 beschrieb Ernst Lagler diese Einrichtungen als Grundlagen des be-
rufsständischen Aufbaus, wobei er den Landeskulturrat für Tirol als „echte
berufsständische Gesamtkörperschaft“ eigens hervorhob. Auf gesamtöster-
reichischer Ebene könnten die „gesunde Besitzstruktur“ (wenig Großgrund-
besitz) und die patriarchalischen Verhältnisse als gute Voraussetzungen
des ständischen Gedankens gelten. Als diesem hinderliche Faktoren nannte
er die nach wie vor starke Prägung der meisten Organisationen durch die
parlamentarische Demokratie und die Wirkungen des Liberalismus, der das
traditionale Gefüge des Bauerntums zwar nicht zerstört, aber doch gelockert
habe.55
Auf dem Genossenschaftstag des Österreichischen Genossenschaftsverban-
des im September 1935 referierte Hans Bayer zum Thema Der ständische
Aufbau und die Genossenschaften. Er trat für kleine und mittlere Betriebe
ein und forderte demokratische Vorgangsweisen beim berufsständischen
Aufbau.56 Mehrere in den dreißiger Jahren in der Zeitschrift Die Genossen-
schaft erschienene Artikel zeigen, dass man große Hoffnungen in den Stän-
destaat setzte.57 Franz Waschnig erblickte in den Genossenschaften ein
Modell, an dem sich Berufskörperschaften orientieren könnten. Er bezog
sich insbesondere auf die Kreditbeschaffung, die er in kleinem Rahmen ver-
wirklicht wissen wollte; eine mit Bankkapital arbeitende Wirtschaft lehnte
er ab.58
Josef Resch würdigte das Genossenschaftswesen als die Einrichtung, von
der die seit dem späten 19. Jahrhundert bestehende Sozialversicherung
„Geist und Sinn“ empfangen habe („Methode und Technik“ kämen von der
privatwirtschaftlichen Lebensversicherung). Er sah hier ein Beispiel berufs-
ständischen Denkens ante litteram: „Das im Zeitalter des Liberalismus ver-
ständliche Gefühl des ‚Auf-sich-allein-Angewiesenseins‘ schuf die seelische
51 hanisch, Die Politik, 47.
52 braZda/schediwy/todev, Selbsthilfe, 180; mattl, Agrarstruktur, 349–352.
53 walther, Die bäuerlichen Produktionsverhältnisse, 215 f.
54 tálos, Handbuch, 354 f. (E. brucKmüller).
55 StL 1933, 148–151 (E. laGler).
56 braZda/schediwy/todev, Selbsthilfe, 193.
57 braZda/schediwy/todev, Selbsthilfe, 183.
58 waschniG, Wirtschaftsreform, 22–25; ähnlich R. schmitZ, Grundlinien, 12.
7. DIE BERUFSSTÄNDISCHE
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580