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mas von Aquin, in der jeder Einzelne Teil des kosmischen Ganzen war.144
Johann Staud145 und Richard Schmitz146 erkannten ebenfalls in der Zunft
eine Vorstufe des Berufsstands. Georg Baumgartner schätzte sie als „Bru-
derschaft und Verein für alle gemeinsamen Lebenszwecke“, in der nicht „Ar-
beitsvergötterung“147, sondern Kultivierung der „inneren Lebenswerte des
Menschen“ geherrscht habe.148
Bei allen Anachronismen und Vergröberungen, die den eben referierten
Äußerungen anhaften: Sie erfassen das Wesen der spätmittelalterlichen Ge-
sellschaft insofern treffend, als in ihnen deren relative Offenheit anklingt.
Von einer solchen kann man insbesondere im Vergleich zum frühmodernen
Staat sprechen, der mit seinen sozialdisziplinierenden Maßnahmen natür-
lichen Entwicklungen eher hinderlich war.149 Es fehlte denn auch in den
dreißiger Jahren nicht das Bewusstsein für die Veränderungen, denen wirt-
schaftspolitische Maximen im Laufe der Zeit ausgesetzt waren. Max Anton
Adler erläuterte den Übergang vom religiösen Gemeinschaftsgedanken zum
kapitalistischen Geist, der in der Renaissance eingesetzt habe und im Zei-
chen des Absolutismus mächtig vorangetrieben worden sei. Nunmehr stehe
man am Ende einer 400-jährigen Versuchsperiode, aus der man lernen
müsse, dass die berufsständisch-genossenschaftliche Wirtschaftsverfassung
die einzige sei, die sich bewährt habe: „Der neuzeitliche Wirtschaftsindividu-
alismus ist das Grab der Persönlichkeit.“150
Man wusste freilich, dass dieser Prozess irreversibel war. Friedrich Fun-
der zitierte Engelbert Dollfuß mit der 1933 ausgesprochenen Ansicht, die
mittelalterliche Ordnung könne zwar nicht direkt übernommen werden,
aber sie enthalte einen „gesunden Kern“ [...], auf den man zurückgreifen
müsse.151 August M. Knoll hätte eine einfache Wiederherstellung der Ord-
nung des Mittelalters auch aufgrund tiefer gehender Bedenken nicht ge-
wünscht: „Der Feudalismus, die ewige Trennung der Menschen in Hoch- und
Niedriggeborene ohne gemeinsames [Sperrung im Original] Ehr- und
Würdebewusstsein ist und bleibt tot.“152 Für Benno Karpeles hatte die neue
Ordnung mit der mittelalterlichen Wirtschaft „nichts zu tun“; die Zünfte
144 bohn, Ständestaatskonzepte, 27.
145 staud, Berufsauffassung, 4.
146 R. schmitZ, Das christlichsoziale Programm, 24.
147 baumGartner, Arbeit und Erwerb, 26.
148 baumGartner, Arbeit und Erwerb, 7 f.
149 Gall, Von der ständischen, 57.
150 CS 29. 7. 1934 (M. A. adler).
151 funder, Sturm, 71; Kriechbaumer, Erzählungen, 287 und 637; landGrebe/weiGl, Aktuali-
tät, 181.
152 Knoll, Ziel, 15.
7.4 ASPEKTE DER BERUFSSTÄNDISCHEN ORDNUNG 449
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580