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nicht vergessen, den Ländern und Gemeinden zu geben, was ihnen gebührt,
und zu vermeiden, sie wie arme Verwandte zu behandeln, die nirgends sehr
beliebt sind.“128 Franz Rehrl129, Lorenz Karall130 und Richard Schmitz131
teilten diese Einschätzung.
Leopold Kunschak forderte eine präzise Unterscheidung zwischen Födera-
lismus und Partikularismus, welch Letzterer abzulehnen sei.132 Zentrifuga-
len Kräften sollte mit dem Subsidiaritätsprinzip also nicht das Wort geredet
werden.133 Auch der kurzzeitig in Graz lehrende Wilhelm Röpke wünschte
eine föderative Staatsstruktur.134
All den zitierten Stellungnahmen und Definitionsversuchen liegt nicht
der moderne Verfassungsföderalismus zugrunde, der Kompetenzen präzise
zuordnet, sondern der Vertragsföderalismus in der Tradition des Johannes
Althusius, der nicht mit automatischen, unwiderruflichen Regelungen arbei-
tet, sondern – mit Blick auf die beste Lösung – politisches Aushandeln von
Fall zu Fall vorsah.135
Die in der Maiverfassung festgeschriebene Entscheidung für den Bun-
desstaat war nicht von vornherein selbstverständlich gewesen, denn nach
1918/19 hatten die Länder schwere Vorbehalte gegen das rote Wien gehabt136,
und noch bei den Verfassungsdiskussionen im Frühjahr 1934 hatte zunächst
auch die Landesbürgerschaft im Raum gestanden. Schließlich einigte man
sich darauf, die Aufnahme in den Heimatverband von der Zustimmung der
Landesregierung abhängig zu machen.137 Diese verworren anmutende Rege-
lung ruft den im Ständestaat gerade hinsichtlich des Föderalismus bestehen-
den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit ins Bewusstsein.138 In-
wieweit das 1934 im CS beschriebene und grundsätzlich erörterte Modell der
Stadt Linz139 für ganz Österreich relevant war, wäre noch zu untersuchen.
Otto Ender brachte als Argument für den bundesstaatlichen Charakter
Österreichs dessen geschichtliche Entwicklung vor; das Eigenleben der Län-
der sei so stark, dass eine Nichtbeachtung in der Verfassung keine Stär-
128 CS 16. 12. 1934 (L. hülGerth).
129 H. dachs, Franz Rehrl, 217; hanisch, Franz Rehrl, 11; schreiner, Franz Rehrl, 80.
130 wurm, Dr. Lorenz Karall, 222.
131 R. schmitZ, Das christlichsoziale Programm, 9 und 32 f.
132 Kriechbaumer, Dieses Österreich, 299; Kriechbaumer, Erzählungen, 267.
133 Vgl. hierzu LK, 547 (F. romiG).
134 schüller, Wirtschaftshumanismus, 164 und 175.
135 hüGlin, Föderalismus, 326.
136 hanisch, Demokratieverständnis, 76.
137 PMR 8/6, Prot. 930 (20.–29. 3. 1934), 143.
138 suPPanZ, Österreichische Geschichtsbilder, 236; wiederin, Christliche Bundesstaatlichkeit,
34.
139 CS 7. 10. 1934 (J. stamPfl). 8. STAAT UND
GESELLSCHAFT500
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580