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III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment
He disliked revolutions and for the same reason,
for which he disliked revolutions,
he disliked counter-revolutions. (Macaulay)
1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung
Im Zuge seiner Analyse der Ursachen der Französischen Revolution von 1789
kons
tatierte Alexis de Tocqueville, dass die zu Reformen unfähige Verwaltung
des Ancien Régime die Revolution ebenso förderte wie die Revolution selbst eine
kontinuierlich zunehmende Macht der Verwaltung produzierte.59 Er widersprach
damit der These, dass Revolution und staatliche Verwaltung zwei einander wi-
dersprechende Trends seien: Sie können zwei sich gegenseitig bedingende und
fördernde Momente bilden. Dieser Prozess ist auch in der österreichischen Ge-
schichte, genauer sowohl in der 1848er-Revolution als auch in der darauf folgen-
den Epoche des österreichischen Neoabsolutismus, zu beobachten. Die vormärz-
liche Administration, nach zeitgenössischem Urteil schwerfällig, volksfremd und
ineffizient,60 hatte einen nicht geringen Anteil an der Volkswut, die sich in der
Revolution kundtat. Allerdings stärkte genauso das folgende reformerische Büro-
kratieexperiment die Macht von Bürokratie und Verwaltung.
Es war nicht nur offensichtlich, dass die Verwaltung neu gestaltet werden
musste. Es stellte sich heraus, dass sich auch ein neues Verständnis von Verwal-
tung entwickelt hatte. Den (meist anonymen) Klagen und Beschwerden des Vor-
märz über die verwaltungstechnischen „volksfernen“ Unzulänglichkeiten folgte
eine eher von Wissenschaftlern und Intellektuellen bestimmte Diskussion über
59 ALEXIS DE TOCQUEVILLE, Œuvres complètes, Bd. 2: L’ancien régime et la révolution (Pa-
ris 1952), S. 69 ff.; dazu REINHART KOSELLECK, Staat und Gesellschaft in Preußen 1815–
1848. In: Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz, hg. von Werner Conze (= Industrielle
Welt. Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte 1, Stuttgart 1962), S. 79.
60 HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 58f.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277