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8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst
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8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst
„Das Thema ist ärgerlich, besonders für die Frauen; außerdem ist es nicht neu.“
(Simone de Beauvoir, 1949)
Frauen im Staatsdienst, seit den späten 1860er-Jahren ein neues Phänomen, zähl-
ten absolut nicht zu den bürokratischen Eliten, sondern sind ganz im Gegenteil
ein Kontrapunkt zu diesen.
Seit es den Staatsdienst in den Ländern der Habsburgermonarchie gab, war
er ausschließlich männlich besetzt. Doch seit den 1860er-Jahren wendete sich
langsam das Blatt. Der Staat war (seit 1869) offenbar genötigt, auch Frauen in
seine Dienste zu nehmen. Dies lag nicht an der Überzeugung der staatlichen
Vertreter von weiblichen Qualitäten, sondern an den sozialen Instabilitäten, die
zunehmend alle bürgerlichen Schichten inklusive der Frauen betrafen: Viele ver-
armten und die Töchter wären ohne Beruf den Familien oder dem Staat zur Last
gefallen.195 Durch die demografische Entwicklung, die Frauen begünstigte, blieb
zudem vielen bürgerlichen Frauen das traditionelle Versorgungsinstitut der Ehe
verschlossen. Daher waren sie gezwungen, bezahlte Arbeit anzunehmen. Dafür
kamen nach dem bürgerlichen Standeskodex nur die Berufe der Gouvernante
oder Lehrerin infrage. Dieser Broterwerb blieb allerdings Töchtern der sogenann-
ten Subalternbeamten verwehrt, da sie dafür nicht genügend ausgebildet waren.
Die zur Berufsarbeit gezwungenen Frauen wurden freilich lange nicht in den
klassischen Verwaltungszweigen, sondern in den neuen Diensten angestellt,196 zu-
nächst hauptsächlich im „nichtärarischen“ Postdienst, das heißt in Postämtern,
die in Erbpacht weitergegeben wurden und nicht mit einem beamteten Postmeis-
ter besetzt waren. Dem folgte 1871 der ärarische Telegrafendienst mit der Auf-
nahme von 36 ersten Frauen. Gedacht waren diese Ämter zunächst für die Töchter
195 Siehe dazu und zum Folgenden WALTRAUD HEINDL, Geschlechterbilder und Geschlech-
terrollen. Ideologie und Realitäten. In: Die Habsburgermonarchie 1848–1918, IX: Soziale Struk-
turen, Teilband 1: Lebens- und Arbeitswelten in der industriellen Revolution, hg. von Helmut
Rumpler und Peter Urbanitsch, Redaktion Ulrike Harmat (Wien 2010), S. 701–741.
196 HAFNER, Der sozio-ökonomische Wandel, S. 58–62; genaue Beschreibung der Situation der
Frauen in den einzelnen Sparten bei HANS NAWIASK�, Die Frauen im Staatsdienst (= Wiener
staatswissenschaftliche Studien 4. 1, Wien/Leipzig 1902): Postdienste: S. 25–77, Postsparkasse,
Statistik und andere Dienste: S. 157–173, Staatsbahnen: S. 156 ff., niederösterreichische Statthal-
terei: S. 167, Polizei: S. 168; privater telegraphischer Dienst und Privatbahnen: S. 174–206.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277