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III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment
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ziens – ihr Ziel, Verfassung sowie parlamentarische Einrichtungen, erreichen. Aus
dieser langfristigen Perspektive kann die häufig vertretene Meinung vom klägli-
chen Scheitern der 1848er-Revolution nicht nachvollzogen werden, wohl aber für
die kurzfristige Phase des ersten Jahrzehnts nach der Revolution.
Das Ziel der Modernisierung, das sich der Staat nach 1848 gesetzt hatte, hatte
durchaus Chancen, Früchte zu tragen und dem Modernisierungsprozess neue
Bahnen zu öffnen, doch der unumschränkte Verwaltungszentralismus, für den
man sich entschieden hatte, konnte nicht das Gefallen der Liberalen und schon
gar nicht der nationalen Föderalen finden. Denn damit war der totale Verwal-
tungsstaat propagiert. Ein System mit einer Regierung, die nur einem autokra-
tisch regierenden Kaiser verantwortlich war, der in der Tradition seines Hauses
von seinem Gottesgnadentum überzeugt war, musste unweigerlich dazu führen,
dass sich in Form und Stil ein sich immer stärker bürokratisierender monarchi-
scher Obrigkeitsstaat ausbildete, zu dessen Merkmalen es gehörte, den militäri-
schen sowie den Behördenapparat fest im Griff zu haben.81 Dass das Behörden-
und Verwaltungsrecht im Zentrum stand und zum Großteil das Verfassungsrecht
ausmachte, war eine Folge davon.
3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära
„[…] sich nicht bloß in dem begrenzten Raum des Amtes und auf den lähmenden Weg der
Akten und schriftlichen Weg der Verhandlungen bewegen […]“
(Innenminister Alexander Bach)
Beamte und Bürokratie waren für den neoabsolutistischen Staat, der in erster Li-
nie die Durchführung von Reformen auf seine Fahnen heftete, von primärer Be-
deutung. Es entsprach der Regierungslogik, nun die Staatsdiener, die ihre Vorstel-
lungen 1848 öffentlich kundgetan hatten und von denen sich viele, wie wir sahen,
auch nicht gescheut hatten, in Konflikt mit Regierung und Dynastie zu treten,
streng an die Regeln des „neuen Österreich“ anzupassen.
Schon wenige Tage nach der Bildung der neuen Regierung unter dem jungen
Kaiser Franz Joseph am 7. Dezember 1848 wurde vom neu ernannten Minister
81 So OTTO HINTZE, Machtpolitik und Regierungspolitik. In: OTTO HINTZE, Gesammelte
Abhandlungen, hg. von Gerhard Oestreich, Band 1: Staat und Verfassung. Gesammelte Abhand-
lungen zur allgemeinen Verfassungsgeschichte (Göttingen 21962), S. 424.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277