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I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche
Versuch einer Einführung
Alles in allem sind die Beamten in Österreich
die einzige Klasse der Bevölkerung, die man
herrschende Klasse nennen kann.
(Otto Friedländer, Letzter Glanz der Märchenstadt)
1. Theoretische Überlegungen
Der französische Bürokratieforscher Pierre Legendre stellt in seinem großen Werk
über die französische Bürokratie die Frage, was passiert wäre, hätte Frankreich in
der Neuzeit, besonders in Krisenzeiten, eine andere Bürokratie gehabt. Er kommt
zu weitreichenden Schlussfolgerungen1, die – auf den kleinsten gemeinsamen
Nenner gebracht – lauten: Die Geschichte Frankreichs wäre anders verlaufen! Ein
überraschendes Ergebnis, da die Bürokratie in Zusammenhang mit der großen
Politik für gewöhnlich eine wenig beachtete Institution darstellt! Stellten wir für
die cisleithanische Reichshälfte der österreichischen Monarchie dieselbe Frage, so
ergäbe sich ein vielfältiges Puzzle an Möglichkeiten mit vermutlich demselben Er-
gebnis: dass nämlich die Geschichte höchstwahrscheinlich anders verlaufen wäre.
Aber das gehört ins Reich der Spekulationen, die zwar reizvoll sind, aber in einem
geschichtswissenschaftlichen Werk keinen Platz haben. Trotzdem: Der Einfluss der
Institution Bürokratie in Staat und Gesellschaft ist nicht geringer, weil er zunächst
nicht vordergründig ins Auge fällt, daher kaum – und wenn, dann in spektakulä-
ren Fällen von Missbrauch der Amtsgewalt oder Korruption – öffentlich diskutiert
wird. Wir sprechen viel intensiver über den Einfluss, den Politiker, Künstler und
Wissenschaftler auf den Verlauf der Geschichte genommen haben, Bürokraten
1 PIERRE LEGENDRE, Histoire de l’administration de 1750 à nos jours (= „Themis“, Paris
1968), S. 49 f.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277