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V. Das soziale Umfeld
„Die ästhetische Einstellung bildet somit eine Dimension eines objektiven, Sicherheit und
Abstand voraussetzenden, distanzierten und selbstsicheren Verhaltens zur Welt [...].
Sie stellt darüber hinaus aber auch den distinktiven Ausdruck einer privilegierten Stellung
innerhalb des Sozialraums dar.“
(Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede 104)
1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft
„Eine gesellschaftliche Klasse“, so Bourdieu, „ist nicht nur durch ihre Stellung in
den Produktionsverhältnissen bestimmt, sondern auch durch den ,Klassenhabitus‘
der ,normalerweise‘ (d. h. mit hoher statistischer Wahrscheinlichkeit) mit dieser
Stellung verbunden ist.“254
Was wäre die Position der bürokratischen Eliten, wenn sie nur auf die Amts-
stuben beschränkt bliebe? Die hohen Beamten agierten (selbstverständlich) nicht
nur beruflich, sondern auch gesellschaftlich im Rahmen ihrer jeweiligen Sozietät.
Der Lebensstil, den sie in diesen beiden Feldern entwickelten, zeigt ihre soziale
Stellung über die Berufsgruppe hinausgehend in ihrer gesellschaftlichen Schicht.
Im gesamtgesellschaftlichen Kontext Cisleithaniens schätzte ein zeitgenössi-
scher Subalternbeamter der 1870er-Jahre die Position der Beamtenränge. Nach
dessen Urteil dürfte die VIII. Rangklasse die Grenze zwischen den Beamten, die
noch dem „oberen“ Mittelstand angehörten, und jenen des „unteren“ Mittelstan-
des (ab Rangklasse IX) gebildet haben, ab der VI. Rangklasse, also als leitender
Beamter mit Hochschulbildung, lebte man – aus der Sicht des kleinen Beamten
– bereits im Rahmen des bürgerlichen Wohlstandes.255 Diese Definition erzählt
uns von der Selbsteinschätzung der Beamten. Demnach dürften sich alle, auch
254 PIERRE BOURDIEU, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft
(Frankfurt am Main 51992), S. 585.
255 Zit. von MEGNER, Beamte, S. 126 f.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277