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V. Das soziale Umfeld
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diese auszusehen habe und wann sie zu tragen sei, jedenfalls zum Empfang beim
Kaiser, für den auch der militärische Gruß vorgeschrieben war, sowie bei jeder
dienstlichen Vorstellung des Beamten.293 Dieses mit der Uniform verbundene Ze-
remoniell wurde sehr ernst genommen. Friedrich Kleinwaechter schilderte seine
große Verlegenheit, da er keine Uniform besaß, als er – Beamter bei der Finanz-
prokuratur in Czernowitz – von seiner Versetzung in das Finanzministerium und
von seiner Vorstellung innerhalb weniger Tagen erfuhr. Ein Uniformschneider in
Wien war für solche Fälle vorbereitet und erledigte das schnelle Schneidern ei-
ner Uniform „samt allem, was dazugehörte, wie Säbel, Mantel, Paradehut, weiße
Handschuhe“. Bei seiner Vorstellung fand er zwölf weitere „ähnlich kostümierte“
Kollegen aus allen Kronländern vor.294 Das Tragen der Uniform stellte eine ge-
wisse Gleichheit innerhalb der Beamten her, vorausgesetzt, sie waren gleich im
Rang. Von den anderen, den höheren und niederen Rängen dagegen, setzten sie
sich durch die Uniform deutlich ab.
Umgangsformen im Amt
Bei Dienstantritt dürfte es fast überall üblich gewesen sein (zumindest entsprach es
der strengen Etikette), die Beamten in Begleitung des Amtschefs oder eines älteren
Kollegen von Kanzlei zu Kanzlei vorzustellen.295 Ein junger „Konzeptsbeamter“
trat gemäß der bürokratischen Hierarchie – außer bei der Vorstellung – mit sei-
nem zuständigen Sektionschef kaum jemals mehr in unmittelbaren Kontakt.296 In
der Provinz wurden die Neuankömmlinge abends im Beamtenkasino (so es eines
gab) bei den anderen Beamten der Behörden eingeführt und mit den anwesenden
Damen bekannt gemacht. Hier im Kasino war jener Ort, an dem die strenge Tren-
nung in ein Amtsleben und ein privates Milieu aufgeweicht werden sollte. Dem
war allerdings in der Realität nicht immer so, denn die Hierarchie spielte auch
im Kasino eine beträchtliche Rolle. Über die Beamtenkasinos in Bosnien besit-
zen wir den anschaulichen Bericht eines tschechischen Beamten, der in Bosnien
Dienst tat: „Der Zweck der Beamtenkasinos war es, aus der Beamtenschaft in je-
dem Bezirk eine Einheit und ein von der einheimischen Bevölkerung völlig abge-
sondertes, selbständiges Ganzes zu machen. Mitglieder der Beamtenkasinos waren
293 MA�RHOFER-PACE, Handbuch I, S. 270 f.
294 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 14 und 21.
295 Zum Beispiel EHRHART, Im Dienste, S. 130; KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist,
S. 29.
296 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 56.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277