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2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme
zählt wurden.6 Offenbar hielt der Kaiser die Verwaltung (neben der Außenpoli-
tik) ausschließlich für seine Domäne, an der er die Volksvertreter nicht beteiligen
wollte.
Die neue Situation im Verfassungsstaat bescherte den Beamten neben den alten
Bindungen und Aufgaben einerseits eine Reihe von Vorteilen (von denen noch die
Rede sein wird), auf der anderen Seite wurden sie vor neue Probleme gestellt, die
den Beamten, die nichts anderes als Einordnung in den Absolutismus gewohnt
waren, fremd waren.
2. Staatsdiener – Staatsbürger.
Neue politische Rechte – neue politische Probleme
„Der Kaiser ernennt und entläßt alle Minister und besetzt über Antrag des betreffenden
Ministers alle Ämter in allen Zweigen der Staatsverwaltung […].“ (Staatsgrundgesetz vom
21. Dezember 1867, Artikel 3 über die Regierungs- und Vollzugsgewalt)
Den Beamten wurde zusätzlich zu den alten Rechten nach 1867 eine Reihe von
neuen zuteil.7 Eines der wichtigsten staatsbürgerlichen Privilegien stellte zweifels-
ohne das Wahlrecht dar. Bekanntlich war nach der Landesordnung des Februar-
patents und in der Wahlordnung für den Reichsrat 1867 die Wahlfähigkeit eines
jeden Staatsbürgers an seine Steuerleistung gebunden. Viele Staatsbürger waren da-
durch vom aktiven und passiven Wahlrecht ausgeschlossen. Dagegen besaßen die
Beamten das Wahlrecht ex officio, und nur die untersten Ränge, im eigentlichen
Sinn keine Beamten, kamen nicht in den Genuss dieses politischen Rechts.8 Sie
sollten das Wahlrecht erst mit der Einführung des allgemeinen, gleichen und freien
Männerwahlrechts 1907 erhalten. Das aktive Wahlrecht der Beamten ergab sich be-
reits durch das Gemeindegesetz von 1849 (erlassen vom damaligen Minister des
Inneren, Franz Seraph Graf Stadion), geboren aus dem Gedanken, möglichst viele
6 Gesetz vom 21. Dezember 1867, RGBL. Nr 141/1867, wodurch das Grundgesetz über die Reichs-
vertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, § 11, Punkt l, BERNATZIK, Verfassungsge-
setze Nr. 133, S. 397.
7 Teile der Kapitel IV. 2, 3, 5, 7 und 8 finden sich auch in HEINDL, Zum cisleithanischen Beam-
tentum, S. 1173–1195; sie wurden überarbeitet und stark erweitert.
8 Dazu ausführlich und übersichtlich VASILIJ MELIK, Wahlen im alten Österreich. Am Beispiel
der Kronländer mit slowenischsprachiger Bevölkerung (= Anton Gindely-Reihe zur Geschichte
der Donaumonarchie und Mitteleuropa 3, Wien/Köln/Weimar 1997), S. 122 und 132.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277