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3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski
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eine Corporate Identity, die ein Gefühl der Zusammengehörigkeit der Beamten-
schaft implizierte.
Wir können vermuten, dass die im Großen und Ganzen doch beträchtliche
Großzügigkeit und Duldsamkeit gegenüber anders denkenden Kollegen und Un-
tergebenen innerhalb des Apparates auf diesen starken „Corpsgeist“ zurückzufüh-
ren ist, der unter der hohen Bürokratie herrschte. Die Entwicklung der Bürokratie
im 19. Jahrhundert hatte dazu beigetragen. Der ursprünglich strikt obrigkeitliche
Staat, der seine Beamten bespitzelte, streng bestrafte, wenn sie gegen Regeln ver-
stießen, vor allem gegen die Gesetze, die den obersten Dienstherren und seine
Familie, Kaiser und Dynastie, betrafen, ließ die Beamten enger zusammenrücken
und ein Sicherheitssystem nach außen aufbauen, das im Notfall mit gegenseiti-
gem Schutz und gegenseitiger Hilfe funktionierte. Es bedeutete unter anderem,
dass man sich gegenseitig nicht preisgab, dass man eventuelle Verstöße und „sus-
pekte“ Gesinnungen von Kollegen deckte.
3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter –
Dr. Ludwig Ritter von Janikowski
„Er hat um die Kunst gewußt und um die Opfer, die ihre Eitelkeit kostet“.
(Karl Kraus über Ludwig Janikowski)
Einem Kontrapunkt zu den typischen Bürokraten der Jahrhundertwende, einem
nicht alltäglichen Exemplar eines Beamten, begegnete ich im Wien-Museum
an einem Apriltag des Jahres 2010, als ich aus dem gewohnten Wahnsinn, den
Recherchen über Bürokratie, in eine andere Art von Wahn, nämlich in die Aus-
stellung „Kunst und Wahn in Wien um 1900“ flüchtete. Hier leuchtete mir aus
dem dunklen Hintergrund eines Bildes ein faszinierendes Gesicht entgegen mit
der Unterschrift „Oskar Kokoschka, Bildnis Ludwig von Janikowski 1909“566.
566 Das große Bild mit den Maßen 50,2 x 55,2 cm befindet sich in der Privatsammlung Neue Galerie
New �ork, es wird verschiedentlich mit 1909 oder 1910 datiert, vgl. TOBIAS NATTER. In:
Oskar Kokoschka. Frühe Porträts aus Wien und Berlin, hg. von Tobias Natter (Ausstellungska-
talog New �ork: Neue Galerie, New Haven 2002), S. 112. Ausgestellt in Wien in der Ausstellung
Kunst und Wahn, abgebildet im Katalog: KUNST UND WAHN IN WIEN UM 1900. Mad-
ness & Modernity in Wien um 1900. Im Auftrag des Wien Museums, hg. von Gemma Blacks-
haw and Leslie Topp (Wien o. J [2010]), S. 50, 0.40. [5.3] siehe Abb. S. 84.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277