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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn?
„Das Staatsrecht zerreißt Österreich, die Verwaltung hält es zusammen.“
(Karl Brockhausen)
1. Wandel der politischen Strukturen
Das Jahr 1867 bedeutete für den „Österreichischen Kaiserstaat“ einen grundle-
genden Wandel. Durch den Ausgleich mit Ungarn wurde bekanntlich die Ein-
heitlichkeit des Staates, auf die nach der ungarischen Revolution 1848/49 im
neoabsolutistischen Regime so viel Wert gelegt wurde, endgültig in zwei auto-
nome staatliche Gebiete getrennt: in ein transleithanisches Ungarn und in ein
cisleithanisches Österreich, die zur Personalunion „Österreich-Ungarn“ wurden.
Die stärkste Änderung aus staatsbürgerlicher Perspektive präsentierte die Kund-
machung der Verfassungen, mit denen das konstitutionelle System in beiden
Staaten, Österreich und Ungarn, an die Stelle des bürokratischen Absolutismus
trat. Mit der Proklamation des autonomen ungarischen Verfassungsstaates ging
auch die ungarische Bürokratie eigene Wege,1 und politisch gesehen repräsen-
tierten nur mehr die Beamten in den gemeinsamen Ministerien, dem Außen-,
dem Kriegs- und dem Finanzministerium, die gemeinsamen Angelegenheiten des
Reiches.
Die Einführung der neuen, bedeutenden Institutionen, des (zwar beschränk-
ten) (Kurien-)Wahlrechts, des Parlaments mit Abgeordneten- und Herrenhaus,
des den Abgeordneten und nicht nur dem Souverän verantwortlichen Minister-
rates, der Verankerung der Grundrechte in der Verfassung, verursachten eine tiefe
Zäsur im Staatsorganismus und eine – beschränkte – Begrenzung des monarchi-
schen Systems. Man konnte erwarten, dass dadurch die mit dem Staat so eng
verknüpfte Beamtenschaft essenziell berührt und eine neue Ära auch in bürokra-
tischer Hinsicht anbrechen würde – sowohl was den staatsbürgerlichen Status der
1 Dazu BARAN�, Ungarns Verwaltung, S. 362–468.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277