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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn?
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nämlich als Versorgung für unverheiratete Frauen, angesehen wurde. Frauen wa-
ren innerhalb der Bürokratie geduldet und sie blieben ohne nennenswerten Ein-
fluss bis in die Zeit der Zweiten Republik.
9. Macht und Ohnmacht.
Direkte und indirekte Einflussnahme
„Denn die Bürokratisierung der Beziehungen der Menschen zueinander ist nur ein Moment
der Rationalisierung des Lebens überhaupt. Sie verweist darauf, daß sich die Herrschaft des
Menschen über den Menschen zwar versachlichen aber nicht abschaffen läßt.“
(Wolfgang Schluchter, Aspekte bürokratischer Herrschaft)
Wie war es um die oft zitierte Ohnmacht bestellt, die immer wieder von den Be-
amten unter Hinweis auf Hierarchie, Kanzleiordnung und fehlende Kompetenz
betont wurde (und wird)? Für den jeweiligen Beamten eine Flucht vor der Verant-
wortung – für den Staatsbürger allerdings undurchschaubare Behauptungen im
mysteriösen Licht der Amtstuben! Die Frage von Ohnmacht und Macht ist ein
essenzielles Problem der Hierarchie. Die Einflüsse von Bürokraten sind allerdings
nicht leicht nachweisbar, weil die Entscheidungen – wie auch in der Gegenwart –
als politischer Wille der Regierungsmitglieder ausgewiesen wurden (und werden).
Beamte stellen „nur“ die Exekutive und bleiben im dunklen Hintergrund.
Dass die Inhaber der höchsten Ränge, wie etwa die Sektionschefs – obwohl
weisungsgebunden –, großen Einfluss besaßen, liegt auf der Hand. Im Verwal-
tungsdienst waren sie die rechte Hand, Auge und Ohr des Ministers und hatten
politische, soziale, nationale und andere Weichen zu stellen, in den Höchstgerich-
ten waren sie (zumindest de jure) unabhängig. Bei näherer Beobachtung stellt sich
freilich heraus, dass auch die „gewöhnlichen“ Departements und die Ränge des
Konzepts, selbst die jungen Staatsdiener, innerhalb der Hierarchie über Einfluss
verfügten. Damit wurde der eigentliche Sinn der Rangordnung der Behörden und
innerhalb der dort werkenden Beamten, zumindest des sogenannten Konzepts,
erfüllt, dass jedes Rad und Rädchen im Amtsweg eine bestimmte Kompetenz be-
saß und damit über einen bestimmten – wenn auch begrenzten – Geltungsbe-
reich verfügte. Jede Eingabe hatte den vorgeschriebenen Pfad zu durchlaufen, der
durch Instanzenzug und Normen strikt festgelegt war. Damit kontrollierte jede
Instanz die andere, was einerseits Schutz für die Staatsbürger und jeder Instanz die
Möglichkeit der Einflussnahme bot. Andererseits gestaltete das System damit die
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277