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VII. Josephinismus und Moderne um 1900
„[…] jener aber, der nur das seinem Dienst anklebende utile oder honorificum zum
Augenmerk hat, die Bedienung des Staates aber als Nebending betrachtet, der soll es lieber
voraussagen und ein Amt verlassen, zu dem er weder würdig noch gemacht ist, dessen
Verwaltung eine warme Seele für des Staats Bestes und eine vollkommene Entsagung seiner
selbst und aller Gemächlichkeiten fordert.“
(Joseph II, „Hirtenbrief“ 1783)
1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten?
Leslie Bodi zählt zu jenen Gelehrten, die sich mit Joseph II. und den Traditionen
des Josephinismus am intensivsten beschäftigt haben. Die josephinische Periode,
deren Fortleben und die Rezeptionen späterer Generationen hätten, so Bodi,
„eine wichtige Rolle bei der Herausbildung einer modernen Selbstidentifikation
Österreichs und der Entwicklung der nationalen Traditionen der Nachfolgestaa-
ten der Monarchie“ gespielt.520 Bodi sieht den Reformabsolutismus als prägenden
und bleibenden Faktor in der Entwicklung Österreichs und nennt expressis verbis
„die Konflikte zwischen bürokratischer Rationalisierung und traditionellen Glau-
bens- und Lebensformen, Staatspatriotismus und Sprachnationalismus, kritischer
öffentlicher Meinung und autoritärer Repression“. Bodi spricht es damit klar an:
„bürokratische Rationalisierung“ von Staat und Gesellschaft im Sinne der Aufklä-
rung gehören unmittelbar zum Phänomen der österreichischen Bürokratie.
Dem Begriff „josephinische Bürokratie“ nachzugehen bedeutet für uns daher
zu prüfen, ob der Begriff noch 100 Jahre nach dem Tod Josephs II. auf das da-
mals agierende Beamtentum mit Recht angewandt werden kann. Zur Zeit um
1900 waren der von Bodi angesprochene Konflikt zwischen bürokratischer Rati-
onalisierung und traditionellen Glaubens- und Lebensformen zwar weitgehend
520 LESLIE BODI, Zur Problematik des Reformabsolutismus in der Habsburgermonarchie – eine
Literaturübersicht (1975–1990) [1992]: In: Bodi, Literatur, Politik, Identität S. 299 und 316.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277