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2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder
„der Sicherheitspolizei“ um die Mitte des 19. Jahrhunderts die dritte (und für ihn
letzte) Phase der Verwaltungsentwicklung gekommen, in der die ersten Ziele von
Verwaltung und Bürokratie im „sozialen Standpunkt der inneren Verwaltung“
und der „Entwicklung der Selbsttätigkeit des Volkes“ lägen64 (womit sicherlich die
Förderung des gewerblichen Fleißes, der industriellen Entwicklung und der He-
bung des steuerlichen Aufkommens der Bürger durch bürokratische Maßnahmen
gemeint war). Eine andere Zeit mit neuen gesellschaftlichen und ökonomischen
Bedingungen war bereits angebrochen.
2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidie-
rung der Revolution auf dem Verwaltungsweg
„Welchen Zweck hat es für die einzelnen Angehörigen eines Staatswesens, dass dieses
Staatswesen groß, mächtig, geachtet und gefürchtet in der Welt dastehe?“ (Egon Friedell)
In der Euphorie der „österreichischen Neugestaltung“, die der Revolution von
1848 folgte, nahm man eine grundlegende Verwaltungs- und Bürokratiereform
in Angriff. Eine Reform der bürokratischen Institutionen war unbedingt not-
wendig.65 Sie lagen in einem jämmerlichen Zustand. Die Bürokratie hatte zwar
unter Joseph II., wie erwähnt, ihre entscheidende moderne Gestaltung erfahren.
Die Strukturen waren ausgebaut worden, die Schriftlichkeit des Verwaltungsver-
fahrens waren festgelegt und die Beamten an feste Regeln und Normen gebun-
den worden; eine vorgeschriebene Ausbildung für Beamte sollte die notwendi-
gen Kenntnisse und das nötige Wissen sowie das technische Know-how sichern.
Unter Joseph wurde auch das Anciennitätsprinzip (heute Senioritätsprinzip) im
Staatsdienst als verbindlich erklärt, wodurch die im Dienst zugebrachte Zeit und
nicht mehr der Adelsrang als ausschlaggebendes Kriterium für die Position eines
Beamten festgesetzt wurde. Die Einführung des Anciennitätsprinzips hatte zur
Folge, dass die hohen und höchsten Ämter nicht mehr allein von der Aristokratie
beherrscht wurden und dass das gebildete Bürgertum langsam zum Zug kam.66
64 LORENZ von STEIN, Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts in Verglei-
chung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland. Als Grund-
lage für Vorlesungen (Stuttgart 1870), S. 47–51.
65 Teile der Kapitel III. 2, 3 und 5 finden sich auch bei HEINDL, Zum cisleithanischen Beamten-
tum; sie wurden hier überarbeitet und stark erweitert.
66 Zum Folgenden HEINDL, Gehorsame Rebellen, besonders S. 25–59.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277