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4. Der private Alltag – das symbolische Kapital
weitere Reihe von (nichtadeligen) Beamten auf. Es gab offenbar doch auch wohl-
habende Beamte, die die entsprechende finanzielle Grundlage aufwiesen, um sich
die Wohnungen der sogenannten guten Gesellschaft leisten zu können.
Im Allgemeinen waren die höheren Beamten, selbst die Sektionschefs, jedoch
weit davon entfernt, in Saus und Braus leben zu können. Die Besoldung eines
Sektionschefs beispielsweise war mit dem Salär des Direktors der Boden-Credit-
Anstalt, das weit höher war, in keiner Weise vergleichbar (sowie heute das Gehalt
eines Sektionschefs mit dem eines Bankmanagers). Ein Sektionschef mit Familie
konnte angesichts des gesellschaftlichen Aufwands, den er seinem Rang gemäß be-
treiben musste, von seinen Dienstbezügen nur „bescheiden leben“ und wechselte,
wenn die Möglichkeit geboten wurde, gerne in die Bankenwelt.378 Daher spielten
notgedrungenerweise die Vermögensverhältnisse der Herkunftsfamilie bei der Le-
bensgestaltung selbst der hohen Beamten eine entscheidende Rolle. Lebenslange
finanzielle Schwierigkeiten hatte, wie schon erwähnt,379 der aus ärmlichen Verhält-
nissen stammende Richter am Obersten Gerichtshof Hofrat Josef (später Ritter
von) Beck, Bruder des bereits erwähnten Anton Beck und Onkel des späteren Mi-
nisterpräsidenten Max Wladimir Beck, der bis in die letzten Jahre seiner Karriere
mit Schulden und daher auch mit Eheproblemen zu kämpfen hatte, bis er endlich
Erbschaften antrat, die seine finanziellen und damit auch seine Eheprobleme lös-
ten.380 Angesichts dieser Verhältnisse wurden der private Lebensstil – und selbst-
verständlich auch die berufliche Karriere – eines höheren und hohen Beamten
auch wesentlich von der Herkunftsfamilie der Ehefrau, deren Reputation, Stand,
Prestige sowie Vermögen mitbestimmt, Faktoren, von denen der Lebensstandard
und hiermit die jeweilige „angemessene“ soziale Gesellschaft, mit der man sich
umgeben konnte, abhingen. Daraus können wir folgern, dass der Lebensstandard,
die Deckung der Grundbedürfnisse des Wohnens und Essens, je nach den ran-
gabhängigen Einkünften und dem Vermögen der Herkunftsfamilie sowie dem der
Ehefrau höchst verschieden war.
Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit
Die Beamten waren als Resultat ihres Berufes in der Öffentlichkeit sehr präsent.
Die sozialhistorische Bürgertumsforschung, die sich mit dem bürgerlichen Leben
378 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 55 f.
379 Siehe Kapitel „Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung“.
380 ALLMA�ER-BECK, Vom Gastwirtssohn, S. 45 f. und 95–99.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277