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VI. Inszenierungen
1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder
„Meine Stücke haben mir wenig Mühe gekostet. Die Personen standen leibhaftig vor mir, ich
sah sie wirklich; nicht ich ließ sie sprechen: sie sprachen zu mir,
und ich brauchte nur ihre Worte niederzuschreiben […].“
(Grillparzer zu Betty Paoli)
Aussagen über Beamte und Bürokratie sind und waren in den Printmedien, in
Literatur und Zeitungen, so zahlreich wie der sprichwörtliche Sand am Meer. Ne-
gativ oder positiv, verhöhnend oder verzerrend, verklärend und idealisierend – aus
diesen vielfältigen und widersprüchlichen Beschreibungen und Meinungen lässt
sich kein Bild der jeweiligen Realität konstruieren, ob es sich nun um die vergan-
gene oder die gegenwärtige Epoche handelt.468 Allerdings ist es möglich, daraus
einen Extrakt der Bilder „von außen“, die gängigen Fremdbilder, zu konstruie-
ren, wobei vor allem die in der österreichischen Literatur so reichlich vorhandene
„schöne“ Literatur über Beamte einen Anhaltspunkt für diese Fremdbilder bietet.
Die gedruckten und ungedruckten Quellen von Beamten, Tagebücher, Briefe und
Memoiren, dagegen lassen Schlüsse auf die Selbstbilder, die die Beamten von sich
hegten, zu. Wohlgemerkt: Fremdbilder und Selbstbilder, nicht das Fremdbild und
das Selbstbild.
Beamte sind in der österreichischen Literaturwissenschaft – anders als in der
Geschichtswissenschaft – ein beliebtes Sujet. Diese Vorliebe der Literaturwissen-
schaft verdanken wir der Tatsache, dass die Bürokratie, wie eben erwähnt, wiede-
rum ein beliebtes Sujet der österreichischen Literatur im frühen 20. Jahrhundert
bildet und dass sie damals, nach dem Untergang der österreichisch-ungarischen
Monarchie, als man auf das untergegangene Reich mit einer gewissen Nostal-
gie (oder auch kritisch) zurückblickte, geradezu als ein Symbol für das unterge-
468 Siehe auch Kapitel: „Die zwei Realitäten der Bürokratie“.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277