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by technology ; idealizes the people and is contemptuous of mass society ; and preaches
violence in the name of order ?«101
Passmore beantwortet diese Frage mit den Möglichkeiten, die dieses ambiva-
lente Gebahren für den Faschismus offenhielt, denn nur so konnte dieser glei-
chermaßen Intellektuelle wie auch Schläger in seinen Bann ziehen.102 Das er-
klärt auch den Sachverhalt, warum der Faschismus antibürgerliche Kritik an den
etablierten konservativen Eliten erlaubte, mit denen er gleichzeitig Allianzen
schloss – ein in sich widersprüchliches Verhalten, das frühere »Bündnisthe-
orien«, die Faschismus als Ergebnis eines Abkommens zwischen Politik und
traditionellen Eliten in Wirtschaft, Staatsapparat und Militär zu beschreiben
suchten, weitestgehend ausgeblendet ließen.103
Um die Statik des »faschistischen Minimums«104 zu überwinden, schlug Ro-
bert O. Paxton Ende der 1990er Jahre einen prozessualen und handlungsthe-
oretisch orientierten Faschismusbegriff vor, der fünf Stadien des Faschismus
beschreibt :
1. die Initiierung faschistischer Bewegungen,
2. deren Etablierung im politischen System als Parteien,
3. die Übernahme der Macht,
4. die Ausübung der Macht,
5. die Radikalisierung.105
Paxton griff damit auf Vorarbeiten Wolfgang Schieders zurück, der in einem
dreistufigen Modell zunächst Bewegungs-, Durchsetzungs- und Regimephase
des italienischen »Fascismo« definiert hatte.106 Mit seinem Fünf-Stufen-Modell
konnte er die Idee eines praxeologischen Faschismusbegriffs bislang am weites-
ten entwickeln.107
Eine neue sozialgeschichtlich orientierte Definition des Begriffs nahm
schließlich Michael Mann zu Anfang des neuen Jahrtausends vor. In seiner 2004
publizierten Arbeit »Fascists«108 führte der an der UCLA lehrende Soziologe
101 Passmore, Fascism, S. 11.
102 Vgl. dazu auch Reichardt, Neue Wege, S. 17.
103 Siehe dazu die wohlwollende Einschätzung von Kühnl, Faschismustheorien, S. 183–228.
104 Griffin, The Nature of Fascism, S. 38.
105 Vgl. Paxton, Die fünf Stadien des Faschismus, S. 66 f.
106 Vgl. Schieder, Faschismus, S. 184 sowie S. 194.
107 Vgl. Reichardt, Neue Wege, S. 19.
108 Mann, Fascists. Siehe dazu auch die übersetzte und gekürzte Fassung der Einleitung : Mann,
Der Faschismus und die Faschisten (In : Mittelweg 36, Nr. 1, 2007, S. 26–54). 33
Diskussion der zentralen Begriffe |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319