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Die sozialhistorische Grundierung wird mit der expliziten Betonung der Ge-
waltkomponente verbunden. So hebt Mann die tatsächlich rassistische Politik
(und eben nicht nur Ideologie) des Faschismus hervor. Krieg und Gewalt haben
demnach den Faschismus geprägt. »Inklusion« und »Exklusion« stellen dessen
grundlegende Prinzipien dar : Erst der Ausschluss und die Ausbeutung gemein-
schaftsfremder Gruppen und Personen habe dieses Herrschaftssystem möglich
gemacht, denn durch die Exklusion Gemeinschaftsfremder sei eine breite Zu-
stimmung zu Gewalt und Krieg erreicht worden, wie im Nationalsozialismus auf
schaurige Art und Weise vorgeführt wurde.114
Das 20. Jahrhundert mag ein »monströses Jahrhundert« gewesen sein, jeden-
falls ein Jahrhundert mit objektiv zu konstatierendem »Ausnahmecharakter« :
»Es war die großartigste Epoche, was die Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft
und Technik, der Verbesserung der materiellen Lebensumstände, der Ausweitung indi-
vidueller und kollektiver Emanzipation, des Fortschritts der Vernunft, der Toleranz, der
Freiheit und der Menschenwürde anlangt. Gleichzeitig war es die fürchterlichste Epo-
che
– angesichts des Ausmaßes und der Grausamkeit ihrer Kriege und Vernichtungsak-
tionen, der Entfesselung eines eher unmenschlichen denn übermenschlichen Willens
zur Macht, der Erfindung neuer, maßloser Herrschaftstechniken und der Vernichtung
der Freiheit und Würde so vieler Menschen, die den Angriffen des Irrationalismus, des
Integralismus und des Fanatismus ausgeliefert waren.«115
Die verschiedenen Wege, das faschistische Phänomen erklären zu wollen, haben
erhellende, differenzierte und empirisch gut belegte Erkenntnisse mit sich ge-
bracht. Dennoch wird die Geschichte des 20. Jahrhunderts im Rahmen der
internationalen, vergleichenden Faschismusforschung immer wieder neu ge-
schrieben werden müssen
– ans 21.
Jahrhundert wollen wir dabei noch gar nicht
denken.
Das Bemühen um die Erforschung des Faschismus in seinen verschiedenen
Kontexten und Dimensionen, seinen ambivalenten Ausprägungsformen und
seiner Wandelbarkeit wird auch in den kommenden Dekaden die wichtigste
Aufgabe und größte Herausforderung der vergleichenden Faschismusforschung
darstellen.
114 Vgl. Reichardt, Neue Wege, S. 22 f. Vgl. dazu auch die Vorarbeiten von Arendt, Macht und
Gewalt.
115 Gentile, Eine Definition zur Orientierung, S. 82. 35
Diskussion der zentralen Begriffe |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319