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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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das erste Opfer nationalsozialistischer Aggressionspolitik beschreibt : Demnach wäre Österreich im März 1938 von deutschen Truppen gewaltsam besetzt und während des Zweiten Weltkriegs zur Pflichterfüllung in der Deutschen Wehr- macht gezwungen worden. Seit dem »Anschluss«180 hätte es keinen Staat und keine österreichische Regierung mehr gegeben, daher bestünde auch keine Mit- schuld für die Verbrechen des Nationalsozialismus. Die Jahre zwischen 1938 und 1945 werden im Rahmen dieser Sichtweise aus der spezifisch österreichi- schen Historie ausgeklammert, indem die Verantwortung für das Terrorregime und den Offensivkrieg an Deutschland verwiesen wird. Voraussetzungen, Inhalt und Konsequenzen des Nationalsozialismus hätten demnach für Österreich nur »sekundäre Relevanz«181, denn sie gehören  – so die These  – in die Geschichte Deutschlands. Die österreichische Position wird, wenn, dann nur unter dem As- pekt von Widerstand und Freiheitskampf gegen die vermeintliche Fremdherr- schaft behandelt.182 Als ein identitätsstiftendes Moment der Zweiten Republik hatte der Op- fermythos über Jahrzehnte hinweg die Möglichkeit geschaffen, die Konfron- tation mit Schuld und Verantwortung aus der kollektiven österreichischen Erinnerung zu verdrängen. Darüber herrscht in der Zeitgeschichtsforschung weitgehender Konsens. Im Rahmen der vorliegenden Studie wird daher der Opfermythos per se nicht in Frage gestellt. Er stellt eine weithin akzeptierte zeitgeschichtliche These dar, die als Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit Jelineks Schreiben begriffen wird, weil klar ist, dass die Autorin von deren Plausibilität überzeugt ist : »Wir wollten doch nur ein bißchen in deutschen Betten liegen, wer hätte uns das nicht gönnen wollen ? Aber wir sind es nicht gewesen, und daher hat man uns  – im Jahre 1955 selbstverständlich oder wann dachten Sie denn ?  – auch ordnungsgemäß befreit ! Wir sind überhaupt die Unschuldigsten und sind es daher auch immer gewesen.«183 180 Der Begriff »Anschluss« bezeichnet »den Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich am 12.  März 1938 und das ›Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich‹ sowie ein entsprechendes deutsches Reichsgesetz vom 13.  März 1938, ferner die ›Machtergreifung‹ der österreichischen Nationalsozialisten am 11./12.  März 1938 ; weiters die Vorbereitung und Durchführung der Volksabstimmung vom 10.  April 1938 (…) sowie die verwaltungsmäßige ›Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich‹«. Siehe Haas, Der Anschluss, S.  26. 181 Lepsius, Das Erbe des Nationalsozialismus, S.  250. 182 Vgl. Uhl, Das »erste Opfer«, S.  19. Vgl. auch Lepsius, Das Erbe des Nationalsozialismus, S.  250  f. 183 Jelinek, In den Waldheimen und auf den Haidern, S.  43. 44 | Einleitung Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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