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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Die Zerschlagung des Regimes, die Niederlage im Krieg und die Konfronta- tion mit den Gräueln in den Konzentrationslagern hatten nach 1945 zur Frei- setzung ambivalenter Gefühle in weiten Teilen der Bevölkerung geführt. Zur Abwehr von Scham- und Schuldgefühlen traten an die Stelle von Trauerarbeit Mechanismen wie Gegenidentifikation, Verleugnung und Aufrechnung.184 Die Gesellschaft bildete »einen mehr oder weniger verbindlichen Modus«185 darü- ber heraus, mit welcher Erinnerung sie glaubte, leben zu können : »Man kann durchaus etwas wissen, ohne es denkend verarbeiten zu müssen.«186 Warum das Ausland Österreichs Selbstdefinition als Opfer zuließ, kann zum Teil damit erklärt werden, dass die Siegermächte des Weltkriegs danach strebten, das Wiedererstarken einer deutschen Großmacht zu verhindern, und daher Österreichs Tendenzen zur Eigenstaatlichkeit, auch in der Frage der na- tionalen Selbstdefinition, unterstützten.187 Zudem dürfte sich die Zuspitzung des Kalten Kriegs in dem ersten Jahrzehnt nach 1945 für Österreich integra- tiv ausgewirkt haben  – zum einen, weil es im Interesse der Westmächte war, Öster reich in ihren Block aufzunehmen, zum anderen, weil sich auch ehema- lige Nationalsozialisten mit deren plakativem Antikommunismus identifizie- ren konnten.188 Schon in der »Moskauer Deklaration« von 1943 hatten die Außenminister Großbritanniens, der USA und der Sowjetunion Österreich als das »erste freie Land« bezeichnet, das der »Hitlerschen Aggression zum Opfer gefallen« sei und »befreit werden«189 müsse. In der so genannten »Mitschuldklausel« wurde Österreich allerdings unmissverständlich auf seine Beteiligung am Krieg hin- gewiesen. Zudem war die Erklärung von den Alliierten ursprünglich mit dem Ziel verfasst worden, den innerösterreichischen Widerstand zu beflügeln  – nicht als Konzept für ein österreichisches Nachkriegsszenario.190 Dennoch wurde sie zum fixen Bezugspunkt für Österreichs Opferthese. Mit der Zweckentfrem- dung der in der Moskauer Deklaration festgehaltenen Fremdcharakterisierung konnte ein Geschichtsbild geschaffen werden, das in der Unabhängigkeitser- klärung vom 27.  April 1945 seinen Ausdruck fand : Darin wurde die »völlige politische, wirtschaftliche und kulturelle Annexion des Landes«191 durch die 184 Vgl. Ziegler/Kannonier-Finster, Österreichisches Gedächtnis, S.  76  f. 185 Ebd., S.  77. 186 So der Psychoanalytiker Mario Erdheim (Universität Zürich), zitiert nach : ebd., S.  77. 187 Vgl. Bergmann/Erb/Lichtblau, Schwieriges Erbe, S.  21. 188 Vgl. Uhl, Das »erste Opfer«, S.  23. 189 Formulierungen der »Moskauer Deklaration«, zitiert nach : Blänsdorf, Die Einordnung der NS-Zeit, S.  20. 190 Vgl. Uhl, Das »erste Opfer«, S.  21. 191 Vgl. die Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs vom 27.  April 1945 ; StGBl  1/1945. On- 45 Diskussion der zentralen Begriffe  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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