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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Identifikation anbieten.370 Es stimmt zwar, dass »… ›reality‹ and its inscription in the ideology of our times is at the centre of Elfriede Jelinek’s literary inves- tigations«, wie Allyson Fiddler schreibt, aber : «Jelineks form of realism … is a concentrated or ›super-reality‹«.371 Ja, sie sei »eine Triebtäterin beim Schreiben«372, bekennt Jelinek. Sie ver- schlinge einen Gegenstand und mache »Sprachmarmelade« daraus, die man den Leuten »aufs Brot schmiert«373. Die darzustellenden Wirklichkeiten werden in ihren Texten im jeweiligen Sprachgebrauch einer Gesellschaft oder einer ge- sellschaftlichen Gruppe reflektiert, den die Autorin bis ins Aberwitzige verzerrt und im Brecht’schen Sinne verfremdet, um die darin enthaltenen »manipulati- ven Strukturen«374 satirisch zu entlarven. Durch Versetzung der vorgefundenen Sprache mit ihrer Individualsprache wolle sie Bewusstmachung erreichen, so Jelinek.375 »Die Sprache selbst will jetzt sprechen gehen !«376, heißt es in dem Skandalroman »Lust« aus dem Jahr 1989. Auf diese Weise erscheint die Sprache als missbrauchter Ideologieträger, der die Künstlichkeit und Mythenhaftigkeit medialer und gesellschaftspolitischer Bezüge verschleiert. Nach Adorno mani- festiert sich in der Sprache der »autoritäre Charakter« einer Gesellschaft, der diese auf den Faschismus vorbereite.377 Bei Jelinek aber wird das Instrument der Verführung mit allen Mitteln der Satire entblößt. Das Wort steht in ihren Texten daher stets über dem Inhalt. Es ist  – in der jeweiligen Art und Weise seiner Verwendung  – bereits als Inhalt zu lesen. Logos und Mythos stehen in einem ewigen Wechselspiel zueinander, das es zu hinterfragen und in weite- rer Folge zu destruieren gilt. Die Wirklichkeit müsse immer falsch beschrieben werden, »aber so falsch, daß jeder, der sie liest oder hört, ihre Falschheit sofort bemerkt«378. Dementsprechend greift Jelinek bei der Textherstellung stets auf bestehende Prätexte zurück, die sie in den unterschiedlichsten Bereichen, der hohen wie auch der trivialen Kultur, der Wissenschaft, dem Boulevardjournalismus, in Werbeslogans oder in Liedtexten vorfindet. Diese »extreme«379 Intertextualität ist charakteristisch für ihr gesamtes Werk : 370 Vgl. Lücke, Elfriede Jelinek, S.  7. 371 Fiddler, Rewriting Reality, S.  31. 372 Jelinek, zitiert nach : Meyer, Sturm und Zwang, S.  74 373 Dies., zitiert nach : Urbach, Die Sprache unter dem Skalpell, S.  15. 374 Dies., zitiert nach : Mayer/Koberg, Ein Porträt, S.  82. 375 Dies., zitiert nach : Kerschbaumer, Porträt einer jungen österreichischen Autorin, S.  146. 376 Dies., Lust, S.  28 377 Bezüge zu Adornos »Studien zum autoritären Charakter«. 378 Jelinek, Im Abseits, unpaginiert. 379 Janz, Elfriede Jelinek, S.  IX. 72 | Einleitung Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂĽhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂĽmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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