Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 73 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 73 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung

Bild der Seite - 73 -

Bild der Seite - 73 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung

Text der Seite - 73 -

»Fremdtexte waren und sind das Ausgangsmaterial ihres Schreibens. Nicht immer sind es literarische Texte, es können auch naturwissenschaftliche, philosophische oder trivi- ale Lektüren sein, eine Zeitungsmeldung oder historisches Material. … Sie braucht die verschiedenen Jargons, als Unterlage, als Gegengewicht oder als Klangfarbe.«380 Dabei betreibt Jelinek ein ständiges, detailverliebtes Spiel mit dem Veränderungs- potential aller Sprachelemente, die aus ihren vorgefertigten Sinnzusammenhän- gen herausgerissen und deren durch Konventionen festgelegte Bedeutungen dadurch in Frage gestellt oder verworfen werden. Sabine Braun bezeichnet die- sen Prozess als »semantische Umcodierung«381. Diese wendet die Autorin auf verschiedenen Ebenen der Sprache an. Auf der Wortebene kann sie als Verän- derung oder Verschiebung einzelner Buchstaben, als Alliteration, Wiederho- lung, Kalauer (»Ich liebe Kalauer !«382), als Aneinanderreihung gleich oder ähn- lich klingender Wörter und/oder als bewusster Verstoß gegen die Orthografie daherkommen.383 Auch auf Ebene der Phrasen und Idiome realisiert Jelinek dieses Verfahren, indem sie gängige Phrasen aufgreift, deren herkömmliche Be- deutungen jedoch ad absurdum führt, etwa durch die übermäßige Verwendung von Metaphern und Vergleichen, durch die Integration von Zitaten und Apho- rismen, das Wörtlichnehmen idiomatischer Wendungen oder die Verwendung verschiedenster Jargons und Dialekte. Auch auf der Textebene greift sie bereits bekannte Texte oder Diskurse auf und verarbeitet sie weiter, indem sie diese aus ihren herkömmlichen Sinnzusammenhängen herausreißt und dadurch fragwür- dig erscheinen lässt.384 Das methodische Prinzip ist immer dasselbe : Jelinek arbeitet »mit vorgefertigten und vorgestanzten Mustern« der trivialen, aber auch der hohen Kultur, um sie »in Verfahren der Collage und Montage zu verformen und ideologiekritisch zu brechen«385. Die genannten Ebenen der Textherstel- lungsmethodik können dabei nicht unabhängig voneinander betrachtet wer- 380 Mayer, Elfriede Jelinek, S.  77. 381 Braun, Sprache und Ironie bei Elfriede Jelinek, S.  28 382 Jelinek, zitiert nach : Mayer/Koberg, Ein Porträt, S.  258 383 Jelineks Verweigerung der Neuen Rechtschreibung wird hier nicht zu den Stilmitteln ge- rechnet  – sie ist vermutlich als Ausdruck ihres Protests gegen die jüngste Rechtschreibreform zu verstehen. In jungen Jahren wendete Jelinek, so wie viele ihrer sprachkritischen Vorbilder, kategorische Kleinschreibung an und schrieb ohne Interpunktion, manchmal über die Zeilen- ränder hinausgehend, in einem durch. Das normative Regelwerk der Sprache wurde damals und wird heute von ihr bewusst durchbrochen. Dieses Durchbrechen ist Teil ihres destrukti- ven Programms. 384 Vgl. Braun, Sprache und Ironie bei Elfriede Jelinek, S.  27  f. 385 Janz, Elfriede Jelinek, S.  VII  f. 73 Poetologische Einführung  |
zurück zum  Buch Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung"
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek